Letzten September fand in Albanien die Produktion der Discovery Week statt. Mit dabei waren die Profifotografen und Hauptdarsteller Jens Krauer, Martin Mägli und Remo Buess, die sich unter Anleitung des jeweiligen Genre-Experten verschiedenen fotografischen Challenges stellten. Was dabei herauskam? Das zeigen wir Dir bald. Doch zuerst möchten wir Dir den Experten für Nature Landscape und Leader der zweiten Challenge, Martin Mägli, vorstellen.
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Martin Mägli hatte nie die Absicht, sein Hobby zum Beruf zu machen. Zu gross war die Angst, dass er seine Freude an der Natur- und Landschaftsfotografie verlieren und dann mit leeren Händen dastehen könnte. Was ihm aber seit seinem 16. Lebensjahr klar ist, ist, dass er die schönen Dinge, die er sieht und erlebt, wenn er sich für einen kurzen Moment vom Rest der Welt abkoppelt und ganz eins mit der Natur wird, mit einem Publikum teilen möchte. Und wahrscheinlich gerade weil für Martin die Leidenschaft immer an erster Stelle steht, konnte er sich diesen Kindheitstraum erfüllen – und ihn bis heute erfolgreich weiterleben. Seit 2014 verdient der ehemalige Lehrer und dreifache Familienvater seinen Lebensunterhalt ausschliesslich mit Fotografie. Und auch online stösst er auf grosse Resonanz: Seine Instagram-Community zählt über 33’000 Follower, die sich regelmässig von seinem Content verzaubern und inspirieren lassen. Seine Bilder, die bereits mehrere Preise bei international etablierten Wettbewerben gewonnen haben, wurden in zahlreichen Kalendern, Büchern, Magazinen und auf Postkarten abgedruckt und zierten 2018 sogar die vier Weihnachtsbriefmarken der Schweizer Post – ein Highlight, an das sich Martin noch immer gerne erinnert. Im Interview spricht der 45-jährige Berner über die Sonnen- und Schattenseiten der professionellen Natur- und Landschaftsfotografie und gibt uns einen Einblick in seine ganz persönliche Herangehensweise.
Martin, Deine Fotos zeigen die Natur in all ihrer Pracht und Vielfalt. Wie gehst Du vor, um an diese magischen Orte zu gelangen?
Für mich war es schon immer sehr wichtig, meine eigenen Orte zu suchen. Heutzutage öffnen viele einfach ihr Instagram und gehen dann zu den «Top-Locations», die bereits hundertmal fotografiert worden sind. Das finde ich langweilig, ich will meine eigenen Orte finden. Das bedeutet jedoch immer auch einen relativ grossen Aufwand, um Karten und Google Earth zu studieren und die Locations zu erkunden. Bilder von Wäldern faszinieren mich beispielsweise sehr, aber da es in der Schweiz hauptsächlich Wirtschaftswälder gibt, komme ich nicht darum herum, dass ich tagelang laufen und suchen muss, um ein Waldstück zu finden, das natürlich und wild aussieht. Wenn ich aber unterwegs bin, kommt es vor, dass ich einen Berg hinunter in ein Tal schaue, plötzlich einen Bach entdecke und dann die Karte aufschlage, um festzustellen, dass dort ein Gletscher ist, der Potenzial für ein weiteres Bild hat. So führt die Suche nach einem Ort oft schon zur nächsten Bildidee.
«Die Natur sollte nie Schaden nehmen, nur um ein Bild zu machen.» Martin Mägli
Wie geht es weiter, wenn Du einmal einen Ort mit Potenzial gefunden hast?
Nachdem ich einen geeigneten Ort gefunden habe, beginnt die eigentliche Bildplanung. Ich habe immer eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie mein Bild am Ende aussehen soll. Ich überlege mir also schon vorher, wie der Ort in Bezug auf die Jahreszeit oder die Wetterstimmung aussehen soll: ob ich Nebel oder Wolken im Bild haben möchte, ob die Sonne an ihrem tiefsten oder höchsten Punkt auf- oder untergehen soll, usw. Sobald ich eine konkrete Vorstellung habe, muss ich dann oft mehrmals an denselben Ort zurückkehren, um die gewünschten Bedingungen zu finden und das Bild entsprechend umsetzen zu können.
Was machen denn für Dich gute «Fotobedingungen» aus?
Ich interessiere mich besonders für dynamische Wetterszenen. Das heisst, die Bedingungen, bei denen die Stimmung jederzeit von topp auf flopp umschlagen kann. Das «auf Nummer sicher gehen», interessiert mich nicht. Ein Himmel ohne Wolken ist zum Beispiel uninteressant, oder wenn auf 1000 Meter Nebel vorhergesagt ist, finde ich es nicht spannend, auf 2000 Meter zu gehen und dann ein Foto mit Blick auf das Nebelmeer zu machen. Also gehe ich vielleicht auf 1200 Meter und versuche, gerade die Grenze dazwischen zu fotografieren. Wenn der Nebel dann höher ist als vorhergesagt, habe ich halt Pech gehabt. Ich glaube, je länger du fotografierst, desto höher werden deine Ansprüche und desto mehr riskierst du, ohne ein Bild nach Hause zu gehen, weil du nicht aus dem Nebel herausgekommen bist oder die Wolken schon ein paar Kilometer weitergezogen sind und das Fenster, durch das die Sonne noch hätte scheinen sollen, nicht mehr existiert. Aber wenn alles aufgeht und die Wolke oder der Nebel genau an der richtigen Stelle ist, entstehen Stimmungen, die sich nicht so leicht wiederholen oder kopieren lassen.
Martin Mägli
Go-To Fotoausrüstung:
Hast Du irgendwelche Hilfsmittel, die Dir dabei helfen, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein? Führst du ein Tagebuch oder etwas Ähnliches?
Die grosse Challenge besteht tatsächlich darin, die richtige Idee zur richtigen Zeit abrufen zu können. Ich habe noch kein System gefunden, das es mir ermöglicht, die verschiedenen Faktoren gleichzeitig zu berücksichtigen und darauf basierende Prognosen zu erstellen.
Was ich aber benutze, ist ein Jahresplan, in dem ich den Stand der Sonne oder des Nebels in Kombination mit bestimmten Orten notiere. Dann weiss ich zum Beispiel, dass der Tag X ein optimaler Zeitpunkt wäre, um die Sonne an ihrem tiefsten Punkt vor dem Berg Y zu fotografieren, oder wenn der Nebel auf einer Höhe von 1200 Meter liegt, weiss ich, dass es gut ist, z.B. den Napf oder den Jura zu fotografieren. Man könnte also fast sagen, dass es eine Art Tagebuch ist, obwohl diese Notizen dann noch nichts über die tatsächlichen Wetterbedingungen aussagen. Letztlich spielt sich dann also doch immer alles im Kopf ab. Gute Landkarten, genaue Wettervorhersagen und Apps, die den Weg der Sonne, der Sterne oder des Mondes simulieren können, sind aber sicherlich hilfreich.
Um das perfekte Bild zu machen, bist Du manchmal tagelang in der Natur unterwegs, schläfst bei eisigen Temperaturen im Freien oder stehst mitten in der Nacht auf, um die ersten Sonnenstrahlen auf einem Berggipfel einzufangen. Was gibt Dir die Natur, was Dir sonst nichts anderes geben kann?
Wenn ich in der Natur bin, fühle ich mich einfach komplett anders, als wenn ich drinnen oder in der Stadt bin. Und das liegt nicht nur an der Luft, sondern an allem zusammen. Du kannst wieder richtig durchatmen, du wirst viel ruhiger, deine Gedanken sind plötzlich geordnet. Für mich ist es etwas vom Erholsamsten, das es gibt. Es hat also eigentlich relativ wenig mit dem Fotografieren zu tun. Das ist einfach eine Tätigkeit, die ich ausübe, während ich diesem Gefühl nachgehe, das ich nur habe, wenn ich draussen in der Natur bin.
Eindrücke aus dem Landschaftsfotografie-Tag der Discovery Week
Worin siehst Du Deine Mission als Natur- und Landschaftsfotograf?
In erster Linie möchte ich anderen Menschen, die nicht selbst reisen oder in die Berge gehen können, den Zugang zu dem ermöglichen, was mich selbst so fasziniert. Es gibt immer wieder Momente, in denen ich mich frage, ob das, was ich tue, wirklich einen Sinn hat. Aber wenn ich sehe, wie glücklich und dankbar ältere Menschen oder Rollstuhlfahrer:innen sind, wenn ich beispielsweise einen Vortrag halte und mit ihnen die schönen Dinge teile, die ich erleben darf, dann weiss ich, dass das, was ich tue, sinnvoll ist. Und natürlich gibt es für mich immer die Hoffnung, dass die Menschen das, was sie sehen und lieben, schützen werden. Wobei das in Zeiten von Social Media leider auch mit einem grossen Dilemma verbunden ist…
Was für ein Dilemma?
Als Fotograf richtest du immer auch etwas Schaden an, wenn du auf deinen Social Media Kanälen Bilder veröffentlichst. Leider habe ich in den letzten 20 Jahren oft beobachtet, dass einige einst leere und unberührte Orte jetzt von Menschen überrannt werden, die mit möglichst wenig Aufwand gute Bilder machen wollen und kein Bewusstsein für die Natur haben. Sie breiten ihre Picknickdecken in den Blumenmatten aus, machen Feuer oder lassen ihre Drohnen starten, ohne zu merken, dass sie damit die Wildnis stören. Wenn ich schöne Bilder teile, weckt das bei den Betrachter:innen immer ein gewisses Verlangen, selbst an diese Orte zu gehen, und zieht leider auch Menschen an, denen die Natur egal ist. Eine Zeit lang hat mir das fast die Freude an der Fotografie verdorben.
Was wäre Deine Botschaft an alle, die draussen in der Natur fotografieren?
Die Natur sollte nie Schaden nehmen, nur um ein Bild zu machen. Kürzlich habe ich zum Beispiel Waldohreulen fotografiert, die normalerweise den ganzen Tag in einem Baum sitzen und schlafen. Wenn man sie denn überhaupt auffinden kann, ist es natürlich sehr verlockend, sie durch ein Geräusch oder eine leichte Bewegung des Baumes dazu zu bringen, die Augen zu öffnen. Aber ist es das wirklich wert, die Eule zu stören und sie im dümmsten Fall sogar zu verjagen, nur um ein Foto und ein paar Likes zu bekommen? Ich glaube nicht. Und so ist es mit vielen Dingen in der Natur- und Landschaftsfotografie. Ich will damit nicht sagen, dass ich selbst nie eingreife, ich muss mich da auch immer wieder an der Nase nehmen. Aber am Ende des Tages sollte die Natur immer an erster Stelle stehen, nicht das Bild.
Hast Du noch irgendeinen Ratschlag, den Du angehenden Natur- und Landschaftsfotografi:nnen mit auf den Weg geben möchtest?
Ich glaube, das Wichtigste ist, dass du so offen und unvoreingenommen wie möglich rausgehst und nach deinem eigenen Bild und Stil suchst. In der Fotografie dreht sich immer alles ums Licht. Es ist also entscheidend, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Nämlich dann, wenn das Licht passt. Natürlich ist es auch hilfreich, sich die Bilder anderer Fotograf:innen anzusehen und sich zu fragen, warum sie dir gefallen und was sie zu einem gelungenen Foto macht. Aber wenn du dich wirklich von der Masse abheben willst, musst du dein eigenes Ding machen. Und je mehr Zeit du draussen in der Natur verbringst, desto mehr erlebst du und desto mehr wirst du sehen. Also: einfach rausgehen und machen!
Discovery Week
Teaser Natural Landscape
Die nächste Folge (2/3) erscheint am 14.03.2023 Stay Tuned!
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