Letzten September fand in Albanien die Produktion der Discovery Week statt. Mit dabei waren die Profifotografen und Hauptdarsteller Remo Buess, Jens Krauer und Martin Mägli, die sich unter Anleitung des jeweiligen Genre-Experten verschiedenen fotografischen Challenges stellten. Was dabei herauskam? Das erfährst Du bald. Doch zuerst möchten wir Dir den Experten für Cultural Landscape und Leader der dritten und letzten Challenge, Remo Buess, vorstellen.
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Es war im Jahr 2010, als Remo seinen langjährigen Freund Marco Grob fragte, ob er ihm das Fotografieren beibringen könne. Die beiden hatten sich 1996 in der Segelflugschule in Olten kennengelernt, wo sie viele Stunden und manchmal bis spät in die Dämmerung damit verbrachten, sich gegenseitig mit Tricks und Spielen in der Luft herauszufordern. Und so kam es, dass Remo 2010 damit begann, in Grobs Studio Porträts von Freunden zu machen, die er dann seinem Mentor zeigte, um Feedback zu bekommen. Bald darauf assistierte Remo bei Grobs Fotoshootings für Stars wie Mary J. Blige und Robert Plant sowie für Kunden wie National Geographic und Marvel. Fasziniert von dieser noch unbekannten Welt und den Ergebnissen, die durch den geschickten Einsatz von Kunstlicht erzielt werden konnten, war Remo fest entschlossen, eines Tages selbst ein Meister dieser Kunst zu werden. Heute, 13 Jahre später, hat sich der ursprünglich gelernte Maschinenmechaniker als Porträt-, Reportage- und Modefotograf etabliert, der bereits Sportikonen wie Roger Federer und Lewis Hamilton vor die Kamera geholt hat und für exklusive Veranstaltungen wie die Art Basel in Hongkong gebucht wurde. Angetrieben von einer Liebe und Leidenschaft, die weit über die Fotografie hinausgeht, hat Remo 2017 zudem das «IPFO» (International Photo Festival Olten) und 2021 das «Haus der Fotografie» mitbegründet, in dem regelmässig einige der besten Fotografen der Welt zu Gast sind. In diesem Interview spricht der 43-Jährige darüber, was ihn als Fotograf und Direktor antreibt, wie er selbst an die Fotografie herangeht und was sein Geheimrezept ist, um sich immer wieder in Situationen wiederzufinden, von denen andere nur zu träumen wagen.
Remo, Du bist nicht nur Fotograf, sondern auch Mitbegründer und Co-Direktor des «Haus der Fotografie» und des «IPFO», das diesen August in die vierte Runde geht und bereits Fotolegenden wie Dan Winters, Harry Benson und Lynsey Addario zu Gast hatte. Was treibt Dich an, Dich auf so vielfältige Weise in der Welt der Fotografie zu engagieren und jeden Tag Vollgas zu geben?
Wie jeder andere auch, habe ich natürlich Tage, an denen ich mehr oder weniger motiviert bin. Aber letztendlich haben wir mit dem «IPFO» und dem «Haus der Fotografie» etwas geschaffen, das es uns ermöglicht, die besten Fotografe:innen der Welt nach Olten zu holen, um unsere Besucher:innen mit ihren Vorträgen, Ausstellungen und Workshops zu inspirieren. Ich kenne zum Beispiel einen Fotografen, der Zweifel hatte, ob er mit der Reportagefotografie weitermachen oder aufhören sollte. Er besuchte beim «IPFO» einen Vortrag von Giles Duley, der in Afghanistan auf eine Mine getreten war und beide Beine und einen Arm verloren hatte. Alle dachten, er würde nicht überleben, aber er kämpfte sich zurück und beendete die Reportage, für die er ursprünglich dorthin gereist war. Duleys Geschichte ermutigte den Fotografen so sehr, dass er weitermachte. Heute kann er von der Reportagefotografie leben und arbeitet für Kunden wie das Geo Magazin und den Stern. Es sind Geschichten wie diese, die mich berühren und motivieren, alles zu geben. Denn genau deshalb haben wir das «IPFO» und das «Haus der Fotografie» gegründet: um Menschen zu inspirieren und zu bewegen.
«Mich fasziniert es, Menschen zu porträtieren, die mir einen Einblick in eine Welt geben, zu der ich sonst keinen Zugang hätte.» Remo Buess
Als Fotograf bewegst Du Dich zwischen Porträt-, Reportage- und Modefotografie. Was fasziniert Dich an diesen Genres?
Für mich ist es immer interessant, Menschen zu porträtieren, die etwas Besonderes tun oder die mir einen Einblick in eine Welt geben, zu der ich sonst keinen Zugang hätte. Gerade bei Reportagen finde ich es faszinierend, wenn ich eine Person wie Roger Federer oder die Bewohner:innen der sozialtherapeutischen Einrichtung Buechehof über einen längeren Zeitraum begleiten darf. Das gibt den Gesprächen und damit der Fotografie eine Tiefe, die man nie erreichen würde, wenn man nur zehn Minuten für ein Porträt Zeit hätte. Im Bereich Fashion und Editorial hingegen finde ich es spannend zu sehen, wie wir im Team, d.h. mit meinem Assistenten, Hair & Make-up, manchmal auch Stylisten und natürlich dem Model, etwas möglichst Kreatives auf die Beine stellen können. Ich finde es immer cool, wenn alle ihre Ideen einbringen, damit wir gemeinsam etwas möglichst Aussergewöhnliches realisieren können. Generell liebe ich es, Fantasiewelten zu erschaffen und Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung herauszuholen. Einen Profi-Biker porträtiere ich also beispielsweise nicht im Wald, sondern stelle ihn lieber vor eine Betonwand oder ein modernes Gebäude.
Anders als bei der Street- oder Landschaftsfotografie bist Du auf die Mitarbeit der Menschen angewiesen, die Du fotografierst. Was sind entscheidende Faktoren, die zu einem möglichst fruchtbaren Arbeitsumfeld beitragen?
Es ist wichtig, Einfühlungsvermögen zu haben und mit Menschen umgehen zu können. Denn du musst in der Lage sein, der Person, die du fotografierst, das Vertrauen und die Gewissheit zu geben, dass sie in guten Händen ist, dass du gute Bilder machen wirst und dass du sie nicht schlecht aussehen lassen wirst. Andernfalls ist es besser, ein Still-Life-Fotograf zu sein, der irgendwelche Objekte im Studio fotografiert. Wenn es möglich ist, nehme ich mir daher immer gerne die Zeit, das Bild mit der Person, die ich fotografiere, auszuarbeiten. Das heisst, ich stelle sie nicht einfach hin, drücke auf den Auslöser und das war’s, sondern wir schauen uns das Bild gemeinsam an, analysieren, was der Person gefällt oder nicht gefällt und erarbeiten so ein Bild, das für uns beide perfekt ist. Bei Menschen, die es nicht gewohnt sind, vor der Kamera zu stehen, kann es auch hilfreich sein, am Anfang zu sagen, dass es nur ein Testbild ist. In der Regel löst sich dann eine Menge Anspannung von der Person und man erreicht einen Flow, der sonst viel Zeit in Anspruch nehmen würde.
Remo Buess
Go-To Fotoequipment:
Du hast einen Background als Polizist und Air Marshall. Gibt es etwas, das Du aus dieser Erfahrung mitnimmst und das Dir heute hilft, ein besserer Fotograf zu sein?
Auf jeden Fall. Sowohl als Fotograf als auch als Polizist arbeitest du mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und mit unterschiedlichem Hintergrund, was ein hohes Mass an sozialer Kompetenz erfordert. Wenn ich zum Beispiel als Polizist eine Person befragen muss, darf ich nicht verurteilen, was sie getan hat. Ich muss Einfühlungsvermögen zeigen und mit ihr zusammenarbeiten, um ein Ergebnis oder ein Geständnis zu bekommen. Das Gleiche gilt für die Fotografie: Ich muss in der Lage sein, mit den Menschen zu arbeiten, um ein gutes Bild zu bekommen. Generell würde ich sagen, dass mich diese Erfahrung abgehärteter und widerstandsfähiger gemacht hat. Ich habe viele stressige Situationen durchlebt und unschöne Dinge gesehen, bei denen ich einen kühlen Kopf bewahren musste. Das hat definitiv dazu beigetragen, dass mich heute nichts so schnell aus der Ruhe bringen kann.
Was für eine Rolle spielt für Dich die Vorbereitung? Worauf achtest Du, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen?
Vorbereitung ist das A und O. Das fängt damit an, dass ich weiss, ob ich vor Ort einen Raum für ein Porträt zur Verfügung habe oder, falls nicht, was die Location für Aussenaufnahmen zu bieten hat. Ich sage immer: Location is king! Eine gute Location ist bereits die halbe Miete für ein gutes Bild. Wenn die Location bekannt ist, gibt es in der Regel einen Pre-Lighting-Tag, an dem wir das ganze Shooting im Detail durchgehen und sicherstellen, dass das Licht stimmt. Ansonsten bin ich mindestens zwei Stunden vorher vor Ort, um die Gegend auszukundschaften und zu sehen, was wo fotografiert werden kann. Neben dem Licht ist es auch wichtig, dass die Kamera richtig eingestellt ist, dass es Markierungen auf dem Boden gibt und dass jeder im Team weiss, was wann zu tun ist. So können wir sofort loslegen, wenn das Talent eintrifft. Einen Assistenten zu haben, mit dem man sich blind versteht, und eine Ausrüstung, der man vertrauen kann, macht also einen grossen Unterschied.
EINDRÜCKE AUS DEM cultural-landscape-TAG DER DISCOVERY WEEK
Verwendest Du bei all Deinen Shootings künstliches Licht?
Es kommt immer auf die Situation an. Manchmal macht dir die Natur ein Geschenk und du hast bereits ein wunderschönes Licht, das den Einsatz von Kunstlicht überflüssig macht. Ansonsten verwende ich gerne Mischlicht, das heisst, ich blitze leicht hinein, um dem Bild mehr Kontrast und einen Look zu geben, der mir gefällt. Besonders wenn ich draussen bin, verwende ich gerne einen Blitz für meine Bilder. Der Trick dabei ist, darauf zu achten, dass die Leute nicht sehen, dass du blitzt. Zu viel künstliches Licht kann ein Foto auch ruinieren.
Apropos Kontrast und Look: Mit all den Programmen und Filtern, die es heute gibt, sind der Bildbearbeitung keine Grenzen mehr gesetzt. Wie stehst Du dazu?
Auch hier kommt es auf den Kontext an. Als Reportagefotograf bist du ein Chronist, ein Zeuge vor Ort. Es geht darum, die Realität so wahrheitsgetreu wie möglich einzufangen, denn die Menschen sind auf die Informationen vor Ort angewiesen und du musst glaubwürdig sein. Bildbearbeitung, abgesehen von ein wenig Kontrast oder Schwarz-Weiss-Bearbeitung, hat in Reportagen also nichts zu suchen. Im Fashionbereich oder bei editorialen Porträts kannst du etwas kreativer sein, aber auch hier habe ich klare Grenzen: Körpermanipulationen wie das Verlängern der Beine, das Verkleinern der Nase oder das Vergrössern der Augen sind für mich ein absolutes No-Go. Es gibt immer mehr Modemagazine, die bereits von Anfang an sagen, dass sie keine bearbeiteten Bilder akzeptieren. Das finde ich cool, denn es fordert die Fotograf:innen heraus, von Anfang an so präzise wie möglich zu arbeiten. Wenn es sich um Kunst handelt, die später in einem Museum ausgestellt werden soll, finde ich es natürlich absolut legitim, Bilder stärker zu bearbeiten oder dafür sogar künstliche Intelligenz einzusetzen. Dann ist es wie ein Bild von einer Malerin, die ja auch bewusst gewisse Dinge betont oder ganz weglässt.
Du hast 2010 mit der Fotografie begonnen, konntest kurz darauf bei Shootings mit Hollywood-Stars assistieren, hast seitdem selbst mehrere Sportikonen dokumentiert und schaffst es mit dem «Haus der Fotografie» und dem «IPFO» regelmässig, die besten Fotograf:innen der Welt nach Olten zu holen. Was ist Dein Erfolgsrezept? Hast Du irgendeinen Tipp, den Du angehenden Fotograf:innen mit auf den Weg geben möchtest?
Ich denke, man muss einfach neugierig und offen für neue Dinge sein. In der Fotografie und auch im Leben allgemein, würde ich sagen: Denke nicht zu viel nach und probiere deine Ideen einfach aus! Das «Haus der Fotografie» und das «IPFO» sind zum Beispiel genau so entstanden. Keiner von uns hatte jemals zuvor ein Museum geleitet, geschweige denn gewusst, was es braucht, um ein Museum zu führen. Wir sind alle Macher. Wir haben einfach losgelegt, ohne lange über Details oder mögliche Konsequenzen nachzudenken. Das Gleiche gilt für die Fotografie: einfach ausprobieren, ausprobieren, fotografieren, fotografieren, fotografieren! Wenn du das tust, was dir gefällt, an deine Ideen glaubst und für sie kämpfst, kristallisiert sich plötzlich etwas heraus.
Discovery Week
Die letzte Folge der Discovery Week mit Remo Buess erscheint am 18.04. – Stay Tuned!
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