Mit 13 Jahren besuchte ich zusammen mit meinem Vater einen Fotokurs für Anfänger. Daraufhin wurde mein Kinderzimmer zum Fotostudio und Labor. Zu jener Zeit habe ich das Schaffen von grossen Fotografen wie Robert Frank, Annie Leibovitz oder Willy Otto Zielke, ein herausragender Fotograf, studiert und versucht, mich diesen anzunähern. Diese Studien halfen mir, meine eigene Bildsprache zu finden und weiterzuentwickeln. Später erhielt ich die Chance, als Assistent im Foto- und Filmstudio Maur, einem der grössten Fotostudios im deutschsprachigen Raum, während drei Jahren mit grossen Werbefotografen zusammenzuarbeiten. Diese Erfahrung und meine spätere Assistenzstelle bei Jost Wildbolz gaben mir eine enorm wertvolle Vielseitigkeit mit auf den Weg.
Am Anfang habe ich viel redaktionell gearbeitet. Da bleibt nicht viel Zeit für ein einzelnes Bild. Diese Zeit ist für mich jedoch wichtig. Mich interessieren mehr die Details, als schnelle oder viele Aufnahmen. Dieses Bedürfnis hat mich in die Werbung, zur Corporate Fotografie, und von dort in die Landschaftsfotografie gebracht. Ich habe allerdings bewusst darauf verzichtet, mich zu spezialisieren. Es ist eher so, dass ich mich von Projekt zu Projekt auf neue Herausforderungen einlasse.



Die Fotografie hat meine Wahrnehmung der uns umgebenden Natur komplett verändert. Im Gegensatz zur Auftragsfotografie entstehen Landschaftsbilder ohne grossen organisatorischen Aufwand. Mein Anliegen ist es, das Zufällige, das Unplanbare, das Überraschende der Natur einzufangen. Diese Herangehensweise begeistert mich immer wieder aufs Neue.
Mir geht es um die Einfachheit eines Motivs. Dieser Minimalismus bedeutet eine Reduktion auf das Wesentliche. Ich bevorzuge Bilder, bei denen man als Betrachter die Proportionen nicht mehr einschätzen kann – zum Beispiel, wenn der Nebel Unwichtiges ausblendet oder vermeintlich Unsichtbares eben gerade erst sichtbar macht.
Mich trifft man selten bei schönem Wetter in der Bergen an! Spannend finde ich vielmehr sich schnell ändernde Lichtverhältnisse und Wetterstimmungen wie schwerer Nebel. Wenn ich mich für ein Gebiet oder Thema entschieden habe, setze ich mich für eine bestimmte Zeit intensiv damit auseinander. Ich lasse aber auch gerne wieder los, um mit einem gewissen Abstand am Projekt weiterzuarbeiten. So entstehen über die Zeit oft ungeplante Serien.
2008 bekam ich den Auftrag, die Valser-Kampagne zu fotografieren. Damals zählten noch nicht so viele Landschaftsbilder zu meinem Portfolio. Während zeitgleich eine Crew den Werbefilm vor Ort drehte, stapften mein Assistent und ich einfach drauflos, möglichst weit weg von allen, durch das Valsertal. Dort entdeckte ich die Landschaft für mich. Mir wurde bewusst, dass ich draussen in der Natur Bilder ganz alleine kreieren kann. Das war ein Schlüsselmoment.


Jeder Auftrag hat seine Herausforderungen. Ich bin relativ schnell, bereits in den 2000er Jahren, auf die Digitalfotografie umgestiegen. Obwohl ich kein Technikfreak bin, habe ich immer aktuelle Kameras eingesetzt. Das war zunächst mühsam, da nichts kompatibel war. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass das Equipment in den letzten Jahren immer stärker, immer leichter und kleiner geworden ist.
Mirjam Cavegn von der Bildhalle in Zürich kam 2013 auf mich zu und bot mir an, die Galerie mit einer retrospektiven Arbeit «Land in Sicht» zu eröffnen. Bis dahin waren Ausstellungen kein Thema für mich. Es fühlte sich an wie der Sprung ins kalte Wasser! Gerade auch die Zusammenarbeit mit einer so renommierten Galerie wie die von Mirjam Cavegn, die heute als eine der angesehensten Galerien für Fotografie in der Schweiz genannt werden darf, ist total spannend und trieb mich an, diesen Weg weiterzuverfolgen.
Bis zum 25. September 2021 werden in der Bildhalle unter dem Titel OCEAN verschiedene künstlerische Positionen gezeigt, die sich auf unterschiedliche ästhetische Art und Weise mit dem Thema des Ozeans auseinandersetzen. Darunter wird auch eine Position von mir sein.
Die Branche ist stets im Wandel. Hier muss jeder und jede den eigenen Weg finden. Die Herausforderung, die eigene Bildsprache konsequent weiterzuentwickeln und voranzutreiben, bleibt daher die wichtigste Aufgabe überhaupt.

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