07.03.24 zurück

GFX100 II – Actiongeladene Momente festhalten mit Til Jentzsch

Kann die GFX100 II auch Action? Til Jentzsch, freischaffender Musikfotograf, hat die Mittelformatkamera während eines Konzerts auf Herz und Nieren getestet. Dabei fing er die Atmosphäre zwischen Publikum und Bühne sowie Porträtmomente im Backstage-Bereich ein. Warum er vor allem von der besseren Performance und dem schnelleren Autofokus begeistert ist, und wie die GFX-Kamera mit unterschiedlichen Objektiven zurechtkommt, erzählt er in seinem Bericht.
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Til Jentzsch

Til Jentzsch

Ich bin Til Jentzsch, ein freischaffender Fotograf, der sich auf Musik spezialisiert hat. Zusätzlich habe ich ein Auge für Sportfotografie, insbesondere für Dance/Breakdance. Gelegentlich kommt noch die eine oder andere Porträtsession dazu. Meine Begeisterung für Fotografie begann bereits in meiner Schulzeit, als ich Konzerte und Sportveranstaltungen für die Schülerzeitung und Lokalpresse dokumentierte.


Meine Erwartungen an das Equipment

Momentan fotografiere ich mit der FUJIFILM X-H2s und X-H2 sowie den passenden Objektiven für meine verschiedenen Aufgabenbereiche (8mm, 16–55mm, 50–140mm, 200mm, 23mm, 56mm). Als FUJIFILM die GFX100 II ankündigte, betonten sie, dass diese Kamera nebst den typischen Mittelformatbereichen wie Produktfotografie, Landschaft und Porträt auch für andere, für eine GFX-Kamera eher ungewöhnliche Bereiche, eingesetzt werden könnte. Dies ist vor allem auf den schnelleren und verbesserten Autofokus und die bessere Performance zurückzuführen. Diese Ankündigung weckte mein Interesse, die Kamera in meinen üblichen Arbeitsbereichen der Musikfotografie zu testen. Ich wollte herausfinden, wie sich die Kamera, auch mit dem GF55mm für Backstage-Aufnahmen, bewähren würde.

Testumfeld: ein Konzert der Stubete Gäng

Wenn ich eine Band an einem Konzert oder Festival begleite, ist es mein Ziel, den kompletten Ablauf des Tages oder Abends so umfassend wie möglich zu dokumentieren. Dabei möchte ich nicht nur die typischen Konzertbilder zeigen, sondern auch einen Einblick in den Alltag der Musiker und Musikerinnen geben. Wie bereitet sich die Band vor und was passiert kurz vor oder nach einem Auftritt? Diese Momente halte ich gerne mit der Kamera fest.

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Genau das wollte ich auch mit der GFX100 II umsetzen, zusammen mit dem GF20–35mm und dem GF55mm. Die Frage war, ob das mit dieser Ausrüstung möglich ist. Meine Kameras aus der X-H2-Serie (X-H2s und X-H2) und ich sind bereits ein gut eingespieltes Team. Das Schöne an den FUJIFILM-Kameras ist, dass die Menüs mittlerweile sehr ähnlich, wenn nicht sogar identisch aufgebaut sind. Daher konnte ich die GFX100 II nahezu gleich wie meine X-H2-Kameras aufsetzen. Ich musste mich lediglich an die andere Belegung der Knöpfe und zum Teil der Räder gewöhnen, was jedoch kein grosses Problem war. Gesagt, getan und schon konnte ich loslegen. Für das Projekt hatte ich an einem Wochenende sowohl eine Konzertdokumentation mit der Stubete Gäng als auch den Auftritt von Klischée beim Polyball der ETH Zürich geplant. Eine bessere Herausforderung hätte es also nicht geben können. Die einzige Einschränkung, die ich hatte, vielleicht auch eher mental, war, dass ich nur eine Kamera einsetzen konnte. Normalerweise arbeite ich immer mit zwei Kameras, um flexibler zu sein.

Erster Eindruck: eine Kamera mit Wow-Faktor

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Mein erster Eindruck von der GFX100 II war ein Wow-Erlebnis. Dank des neuen Oberflächenmaterials fühlt sich die Kamera sehr hochwertig an und liegt dank des breiteren Griffs auch ohne Batteriegriff sehr gut in der Hand. Die Anordnung der Tasten ist sehr durchdacht, so dass man sehr schnell intuitiv arbeiten kann. Als sehr positiv empfand ich, dass der AF-Knopf wieder durch doppeltes Drücken in das Zentrum zurückspringt. Das erleichtert das Arbeiten ungemein. Seit meinem Wechsel von der X-T-Serie zur X-H2-Serie vermisse ich diese Funktion.

Das fehlende D-Pad stellt für mich kein Problem dar. Tatsächlich empfand ich die Navigation durch die Menüs oder Bilder sogar als einfacher und flüssiger. Ein weiteres Highlight der Kamera ist der Sucher. Obwohl ich bereits vom Sucher der X-H2-Serie sehr verwöhnt bin, ist der Sucher der GFX100 II aus meiner Sicht um Längen besser. Er ist hell und klar, selbst bei schlechten Lichtverhältnissen, und scheint geradezu für die Musikfotografie gemacht zu sein.

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Mit der Kamera allein lässt sich schon sehr gut arbeiten, aber mit dem zusätzlichen Batteriegriff wird das gesamte Handling noch besser. Ohne Batteriegriff wirkt die Kamera mit dem GF55mm relativ klein und lässt sich sehr gut bei Backstage-Aufnahmen «verstecken». Mit dem Batteriegriff wird die GFX100 II definitiv zum Arbeitstier. Das Duplizieren der Tasten erleichtert den Wechsel von Quer- zu Hochformat und insgesamt ergibt sich mit dem Batteriegriff eine bessere Handhabung. Hinzu kommt, dass sich mit den zwei zusätzlichen Batterien die Arbeitszeit deutlich verlängert. Nach knapp 2000 Bildern waren zwei Batterien leer und die dritte hatte noch eine Restkapazität von etwa 60 Prozent. Damit ist man gut gerüstet für einen langen Tag an einem Festival oder Konzert.

Präziser Autofokus – auch bei schwierigen Lichtverhältnissen

Die Geschwindigkeit der GFX100 II hat mich angenehm überrascht. Sie ist zwar keine X-H2s, aber bei den beiden Konzerten habe ich diese auch nicht vermisst. Bei Porträtaufnahmen mit dem GF55mm arbeitet der Autofokus schnell und der Augenautofokus ist präzise, selbst bei schlechteren Lichtverhältnissen. Die GFX100 II ermöglicht es mir, Musikdokumentationsprojekte auf einfache Weise durchzuführen, die ich normalerweise mit der X-H2-Serie umsetze. In Bezug auf Sensorgrösse und Megapixel hat sie jedoch einen klaren Vorteil.

Selbst wenn ich einmal einen grösseren Ausschnitt habe, steht mir bei der anschliessenden Bearbeitung noch genügend Spielraum zur Verfügung, ohne dass sehr viel von der Auflösung verloren geht. Bei der Schärfeeinstellung 0 erschienen mir die Dateien direkt aus der Kamera viel schärfer als bei der X-H2s. Das allein spricht schon für die GFX100 II, obwohl der Vergleich vielleicht etwas hinkt, da man bezogen auf den Sensor nicht unbedingt Äpfel mit Äpfeln vergleicht.

Insgesamt kam der Autofokus sehr gut mit den schwierigen Lichtverhältnissen zurecht, auch bei der Verwendung des GF20–35mm. So konnte ich problemlos den Sprung des Sängers der Stubete Gäng einfangen.

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Viel Spielraum bei der Bildbelichtung

Der Dynamikumfang der GFX100 II ist einfach genial, auch im Vergleich zur X-H2s. Bei den aktiveren Momenten der Dokumentation habe ich bewusst versucht, eine Belichtungszeit von 1/250 Sek. nicht zu unterschreiten, wenn es möglich war. Vor allem mit dem GF20–35mm bei Offenblende 4 stiess ich dabei oft an die Grenzen. Meistens stellte ich die Belichtung manuell auf 1/250 Sek. oder 1/320 Sek. bei Blende 4 ein, auch wenn mir bewusst war, dass die Bilder unterbelichtet waren. In der Nachbearbeitung konnte ich dies problemlos korrigieren, teilweise um bis zu 3 Blendenstufen, und das trotz ISO 3200. Bei Aufnahmen mit der X-H2s ist immer noch die AI-Rauschreduzierung in Lightroom erforderlich. Bei den Dateien der GFX100 II war dies jedoch nicht notwendig. Das bedeutet nicht, dass die X-H2s in dieser Hinsicht eine schlechte Kamera ist, aber die GFX100 II bietet mir hier zusätzlichen Spielraum. Es ist gut zu wissen, dass dieser da ist, auch wenn man ihn nicht unbedingt braucht.

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Herausforderungen in der Datenverarbeitung

Obwohl ich nicht das neueste MacBook Pro verwende, ist es mit einem M1-Max-Prozessor ausgestattet. Mit einem älteren Computer hätte ich wahrscheinlich Schwierigkeiten gehabt, die Dateien zügig zu bearbeiten. Während das Einlesen der Dateien und das Erstellen der Previews in Lightroom relativ rasch vonstattengingen, verlangsamte sich dagegen die Arbeit im Entwicklungsmodul. Hier wird deutlich, dass die grösseren Dateien mehr Zeit in Anspruch nehmen, aber es ist durchaus möglich, zügig mit ihnen zu arbeiten. Vermutlich müsste ich meinen Workflow an dieser Stelle etwas anpassen. Insgesamt macht es aber Spass, die Dateien in Lightroom zu entwickeln und das Beste aus ihnen herauszukitzeln.

Braucht es 102 MP in der Eventfotografie? Es kommt darauf an. Insgesamt sind die 102 MP eher «nice to have» als wirklich notwendig. Für Bilder in der Tagespresse, auf Webseiten oder Social Media sind zehn Prozent der 102 MP mehr als ausreichend. Die hohe Anzahl an Megapixeln kommt erst bei grösseren Ausdrucken zur Geltung. Wie bereits erwähnt, ist es aber vorteilhaft zu wissen, dass der Bearbeitungsspielraum viel grösser ist. Die Qualität der GFX100-II-Dateien ist deutlich höher als die der X-H2s, was zu subjektiv «besseren» Bildern führt, wenn die Schärfe stimmen muss. Konzertbilder müssen jedoch nicht immer unbedingt zu 100 Prozent scharf sein. Sie leben vielmehr von dem Moment, den man einfängt.

Cremiges Bokeh mit dem schnellen GF55mm

Das GF55mm hat sich als hervorragendes Objektiv für die Aufnahmen im Backstage-Bereich und ungestellten Porträts erwiesen. Es erinnert mich stark an das XF 56mm f/1.2 WR. Im Unterschied zum XF 56mm ist der Autofokus des GF55mm schnell genug, um auch in spontanen Situationen zu bestehen. Während das XF 56mm an der X-H2 meine erste Wahl für Porträtaufnahmen ist, würde ich es nur bedingt für Konzerte oder im Backstage verwenden.

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Im Backstage-Bereich würde ich eher mit einem GF30mm oder GF45mm arbeiten, damit es dem entspricht, was ich normalerweise an der X-H2s benutze. Aufgrund des engeren Blickwinkels musste ich eine etwas andere Perspektive wählen als sonst, aber diese Herausforderung habe ich gerne angenommen. Das GF55mm lässt sich nicht nur abseits der Bühne gut einsetzen, auch während des Konzertes hat es mich überzeugt. Es ermöglichte mir, die Künstler freizustellen und vom Mischpult aus die Atmosphäre mit dem Publikum und der Bühne perfekt einzufangen.

GFX100 II: beeindruckende Allroundkamera mit überraschender Vielseitigkeit und Evolution im FUJIFILM-Lineup

Die GFX100 II ist eine grossartige Allroundkamera, die einen vergessen lässt, dass es eine Mittelformatkamera ist. Sie eignet sich definitiv als Reportage-Kamera, vor allem dank der verbesserten Performance und des schnelleren Autofokus. Und trotz ihrer Grösse und ihres Gewichts ist mit der GFX100 II unauffälliges Arbeiten möglich, wie ich es von der X-H-Serie gewohnt bin. Dieses Allroundkamerakonzept war für mich die positivste Überraschung und hat mich sofort begeistert. Daher gibt es nicht unbedingt eine spezifische Zielgruppe für diese Kamera. Sie ermöglicht problemloses Arbeiten in Bereichen, in denen eine Mittelformatkamera normalerweise nicht die erste Wahl wäre. Wenn ich könnte, würde ich sofort zu ihr wechseln.

Für mich, der fast zehn Jahre mit FUJIFILM fotografiert, stellt die GFX100 II eine weitere Evolution dar. Die Menüstruktur ist wie bei anderen FUJIFILM-Kameras, so dass mir die Umstellung hier nicht schwerfiel. Ich hoffe, dass das Aussenmaterial und die Anordnung der Funktionstasten auch ihren Weg zur X-H-Serie finden werden. Das Material fühlt sich sehr griffig an und die Funktionstasten sind sehr praktisch angeordnet und können nach Belieben angepasst werden. Zudem können auch wieder die Funktionsräder für weitere Funktionen gedrückt werden. Dass die GFX100 II kein D-Pad mehr hat, stört mich nicht. Einzig die Position des Q-Buttons ist etwas unpraktisch, aber diesen kann man ja deaktivieren. Wenn die GFX100 II jetzt noch das Display der X-H-Serie hätte, wäre sie die perfekte Kamera. Die GFX100 II konnte ich zum Glück nicht nur in der Musikfotografie ausprobieren, sondern hatte auch die Möglichkeit, sie bei einer Tanzveranstaltung einzusetzen. Auch dort hat sie mich überzeugt, aber das ist eine andere Geschichte.

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Fotos & Text: Til Jentzsch
Band: Stubete Gäng

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