Wie gut eignet sich das neue XF 150-600mm für Wildtierfotografie? Der professionelle Landschafts- und Naturfotograf Patrik Oberlin testet das neue Super-Teleobjektiv mit der X-H2s in Namibia und auf dem Niederhorn im Berner Oberland. Ein Erfahrungsbericht.
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Nach vielen Jahren mit Spiegelreflexkameras bin ich vor ein paar Jahren auf das X-System von FUJIFILM umgestiegen. Die ersten Fotografien entstanden mit der X-T3 und dem XF 100-400mm 4.5-5.6 LM OIS WR, später kaufte ich mir das FUJIFILM XF 200mm F2 mit dem mitgelieferten 1.4-fach Telekonverter, der inzwischen ein fester Bestandteil meiner Fotoausrüstung geworden ist. Zusammen mit dem Telekonverter und dem Cropfaktor ergibt dieses Objektiv eine Brennweite von etwa 420 mm (KB) bei einer Blendenöffnung von 1:2,8. Dieses Objektiv bietet dem Fotografen somit eine unglaubliche Bildschärfe und mit der grossen Blendenöffnung auch die Möglichkeit, Tiere vor dem Hintergrund schön freizustellen.
Was mir in der FUJIFILM-Palette jetzt noch fehlte, war ein Objektiv mit einer längeren Brennweite. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich die Gelegenheit hatte, die neue X-H2s und das XF 150-600mm 5.6 – 8 LM OIS WR zu testen. Um herauszufinden, ob die Ausrüstung wirklich einen Mehrwert für meine Fototasche darstellt, habe ich sie auf fünf Aspekte getestet, die ich bei der Wildtierfotografie für besonders wichtig halte.
Autofokus
Besitzt die X-H2s wirklich einen deutlich schnelleren Autofokus als meine X-T4?
Diese Frage war mir sehr wichtig, denn die Geschwindigkeit des Autofokus ist oft entscheidend, besonders bei spontanen Motiven in der Natur. Ich war eigentlich immer sehr zufrieden mit dem Autofokus der X-T4 und denke immer noch, dass er für viele Arten der Fotografie sehr schnell und zuverlässig ist, aber dass die Konkurrenz von FUJIFILM im letzten Jahr neue Kameras mit schnellerem Autofokus auf den Markt gebracht haben, ist mir auch nicht entgangen. Der neue BSI- Stacked APS-C Sensor der X-H2s ermöglicht eine viel schnellere AF-Berechnung. Es ist ein richtiger Boost, den man in der Praxis sofort bemerkt.
Das fällt mir besonders auf, wenn ich Vögel im Flug fotografiere. Hier wird oft der gesamte Bereich des Fokus genutzt. Ich habe das mit fliegenden Schwalben ausprobiert, die mit offenem Schnabel über einen Teich flogen. Jeder, der dieses Spektakel bereits beobachtet hat, weiss, wie schnell und unberechenbar diese kleinen Vögel fliegen. Die X-H2s konnte ein paar Anflüge mit der Serienaufnahme scharf einfangen. Es sind nicht die tollsten Bilder, was das Licht angeht, aber sie zeigen, was der Autofokus leisten kann. Mit der X-T4 wären solche Bilder nur mit viel Voraussicht und Glück möglich gewesen.
Motiverkennung
Wie gut ist die Motiverkennung der Kamera?
Wie habe ich diese Motiverkennung herbeigesehnt! Endlich kann ich mich beim Fotografieren von Tieren auf den Bildaufbau konzentrieren und muss nicht immer noch zusätzlich schauen, dass der Fokus auf dem Auge des Tieres ist. Ich habe die Motiverkennung der X-H2s für Säugetiere und für Vögel ausprobiert. Motive werden nun so erkennt, dass vorrangig die Silhouette eingerahmt und fokussiert wird. Wenn dann ein Auge für die Kamera sichtbar wird, wechselt der Fokus auf das Auge des Tieres. Bei Säugetieren und Vögel funktioniert das sehr zuverlässig, selbst bei schwachem Licht ist der Fokus genau dort, wo man ihn haben möchte. Wie auch bei früheren Kameras (ohne Motiverkennung) kann der Fokusbereich verkleinert oder vergrössert werden, auch wenn die Motiverkennung eingeschaltet ist. Das ist hilfreich, wenn man sich auf einen gewissen Bereich im Bild konzentrieren möchte.
Einen Vogel im Flug zu fotografieren, verlangt vom Autofokus allerdings einiges mehr ab als bei statischen oder beweglichen Säugetieren. Vögel im Flug werden zuverlässig erkannt, aber die Motiverkennung wird etwas problematisch, wenn ein Vogel schnell von einem blauen Himmel in einen unruhigen Hintergrund aus Bergen und Tannen abtaucht. Nichtsdestotrotz ist die Szenenerkennung neben den AF-Messfeldern, die auf verschiedene Grössen eingestellt werden können, ein grosser Mehrwert.
Hands-on
Liegt mir die Kamera gut in der Hand und wie ist das Handling?
Ich gebe zu, die Rädchen an der X-T4 habe ich schon sehr geliebt. Alles schnell und einfach einstellen, ohne eine Taste oder ein Menü zu nutzen. Ich brauchte einen Moment, um mich an das Fehlen eines Rädchens für die Belichtungskorrektur oder das Fehlen eines Schalters für die verschiedenen Fokusmodi zu gewöhnen. Solche Änderungen zu verinnerlichen, ist immer etwas unbequem. Aber ich muss sagen, dass FUJIFILM es hier genau richtig gemacht hat. Bei der Belichtungskorrektur kann ich nun einfach das hintere Einstellrad drehen, also eigentlich hat sich hier kaum was geändert. Bei der Taste für die verschiedenen Fokus-Modi hat es den Vorteil, dass ich diese Taste bei Bedarf auch mit einer anderen Funktion belegen kann, was mit dem Schalter vorher nicht möglich war.
Bei der X-H2s ist es möglich, sehr viele Tasten und Funktionen individuell nach seinem Schaffen zu belegen, das gefällt mir am neuen Konzept sehr gut. Wie bei der GFX100s findet man neu auch bei der X-H2s das Hilfsdisplay mit den wichtigsten Informationen und dem neuen grossen Joystick zum bequemen Auswählen oder Umschalten der Fokusfelder.
Während meiner Testzeit hatte ich auch den VG-HX-Batteriegriff an der Kamera montiert. Besonders bei schweren Teleobjektiven verbessert das die Balance und macht das Arbeiten angenehmer. Zudem hat der Batteriegriff den Vorteil, dass ich zusätzlich zu dem in der Kamera verwendeten Akku zwei weitere NP-W235-Akkus verwenden kann. Am Abend kann ich die Kamera mit dem Griff einfach über USB aufladen und am Morgen sind alle drei Akkus wieder aufgeladen.
Qualität
Bleibt die Qualität des XF 150-600mm auch bei grossen Brennweiten gut und ist das neue Tele besser als das XF 100-400mm 4.5-5.6 LM OIS WR mit oder ohne Telekonverter?
Auf Reisen hatte ich solche Superzooms schon vor langer Zeit benutzt. Da ich weiss, dass die meisten dieser Objektive bei langen Brennweiten oft an Schärfe und Kontrast verlieren (das gilt auch für das XF 100-400mm), war ich sehr gespannt auf den Test dieses Objektivs. Denn damit das Objektiv in meiner Fototasche wirklich einen Mehrwert bietet, musste es neben der längeren Brennweite auch optisch besser sein als mein XF 100-400mm 4.5-5.6 LM OIS WR.
Bereits bei der Aufnahme von Wildtieren in den Bergen hatte ich den Eindruck, dass die Schärfe des XF 150-600mm deutlich besser ist. Aber ich wollte es genau wissen, also habe ich einen direkten Vergleich gemacht, indem ich die Kamera auf ein Stativ gestellt, den Bildstabilisator ausgeschaltet und die Bilder nicht vor- oder nachgeschärft habe. Dann habe ich sie in Lightroom mit einer ähnlichen Brennweite und Blende verglichen.
Schon in der Bildmitte, aber vor allem am Rand des Objektivs wird bereits bei 400 mm Brennweite sichtbar, dass das neue XF 150-600mm deutlich mehr Bildschärfe und Kontrast bietet. Ich habe bewusst darauf verzichtet, noch andere Blenden zu vergleichen, denn für Tieraufnahmen möchte ich die Blende nicht noch weiter als Blende 8 schliessen müssen.
Nun wollte ich aber auch noch wissen, wie der Qualitätsunterschied aussieht, wenn die Brennweite erhöht wird. Dazu habe ich den 1.4-fach Telekonverter am XF 100-400mm verwendet und die Brennweite auf 560 mm verlängert. Beim XF 150-600mm habe ich die Brennweite ebenfalls auf etwa 560 mm eingestellt.
Der Qualitätsunterschied wird extrem sichtbar: Während das XF 150-600mm immer noch eine gute Randschärfe zeigt, wird das XF 100-400mm weich und schwammig. Für mich ist daher klar: Das XF 150-600 mm 5.6-8 LM OIS WR wird einen Platz in meiner Fotoausrüstung finden. Trotz seiner relativ langen Grösse ist es ein logischer Ersatz für das in die Jahre gekommene XF 100-400mm 4.5 – 5.6 LM OIS WR, allein schon wegen der optischen Qualität.
Lichtstärke
Wie gut kann ich mit der beschränkten Lichtstärke von 5.6-8 meine Wildtiere fotografieren?
Häufig fotografiere ich Wildtiere am Morgen oder am Abend in der Dämmerung. Hier werde ich beim XF200mm F2 natürlich verwöhnt: Auch mit dem 1.4x Konverter komme ich hier immer noch auf eine komfortable Lichtstärke von 2.8. Besonders bei Tieren, die sich bewegen, ist eine schnelle Verschlusszeit erforderlich. Um zu vermeiden, dass der ISO-Wert sehr hoch eingestellt werden muss und Bildrauschen entsteht, ist eine grosse Blendenöffnung von Vorteil. Wie stark das Bildrauschen wird, kommt natürlich auch auf die Kamera an. Schon die X-T4 war aus meiner Sicht eine gute Kamera und konnte in schwierigen Lichtsituationen mit guter Qualität bis 3200 ISO eingesetzt werden. Bei meinem Test hatte ich aber das Gefühl, dass die X-H2s noch ein wenig besser im Bildrauschverhalten ist.
Mit dem XF 150-600mm werde ich kaum in der Dämmerung fotografieren. Bei Verschlusszeiten von 1/250s ist man bei diesen schwierigen Lichtsituationen oft schon bei ISO 12800 und diese hohe ISO-Zahl deckt sich nicht mit meinen Qualitätsansprüchen. Sobald jedoch das erste Sonnenlicht auftaucht, kann mit der flexiblen Brennweite des Objektivs super fotografiert werden. Ich sehe das XF 150-600mm als ideale Ergänzung zum XF 200mm und werde dieses vor allem für Vögel und Tiere mit einer grossen Fluchtdistanz einsetzen.
Mit einer Naheinstellgrenze von 2,4 Meter kann das Objektiv auch gut für kleinere Tiere in Bodennähe eingesetzt werden. Mein Testmotiv hier war ein kleiner Hamster, der sich mit dem grossen Zoombereich sehr gut fotografieren liess.
Fazit
Sowohl die X-H2s wie auch das XF 150-600mm 5.6-8 LM OIS WR werden zu meiner Fotoausrüstung hinzugefügt. Bei der Kamera sind es vor allem der schnellere Fokus, die Motiverkennung und der schnellere Prozessor, der auch mit dem elektronischen Verschluss schnelle Verschlusszeiten ohne Rolling-Shutter-Effekt ermöglicht, die mich überzeugen. Die Kamera ist ein kleines Kraftpaket, das gut in meiner Hand liegt. Ich bin schon gespannt zu erfahren, wie die Kamera im Videobereich performed. Beim XF 150-600mm 5.6-8 LM OIS WR bin ich von der Bildqualität sehr positiv überrascht. Sie ist um einiges besser als die des XF 100-400mm 4.5 – 5.6 LM OIS WR und bietet erst noch eine grössere Brennweite. Natürlich hatte ich mir gewünscht, dass das Objektiv kompakter ist, aber der Vorteil des Innenzooms gegenüber einem ausziehbaren Zoomobjektiv ist sicherlich der bessere Staub- und Wetterschutz. Das Gehäuse macht einen sehr robusten und wertigen Eindruck. Ich bin mir sicher, dass ich mit diesem Objektiv in den nächsten Jahren einige tolle Wildtierfotos machen werde.
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