11.11.22 zurück

FEMALE VIEWS –  Edition 6 mit Ladina Bischof

In der 6. Ausgabe von FEMALE VIEWS nimmt uns die Fotografin Ladina Bischof mit auf eine Reise durch Episoden ein, wie wir sie von unseren Träumen kennen. Losgelöst von den Geschichten, die darauf spielen. Unser Blick wird auf Schauplätze gelenkt, die manchmal sehr real sind und doch surreal erscheinen. Soziale Konventionen lösen sich auf, physische Regeln verschwinden. Was bleibt, ist die Beziehung zwischen Mensch und Raum. Befreit von jeder Logik gelangen wir – ähnlich den Sequenzen, die unseren Träumen eigen sind – in dieser beeindruckenden fotografischen Arbeit zu neuen Szenerien und Begegnungen. FEMALE VIEWS, eine Initiative von FUJIFILM Switzerland, fördert die Sichtbarkeit von Schweizer Fotografinnen und Fotokünstlerinnen zu fördern und gibt ihnen die entscheidenden Werkzeuge an die Hand, die sie für ihren weiteren Erfolg benötigen.
Story Titelbild

Ladina Bischof

Ladina Bischof ist Fotografin mit den Schwerpunkten Porträts und Architektur in Sankt Gallen. Interessiert an einer reduzierten, schnörkellosen Bildsprache, verzichtet sie auf grosse Inszenierungen und ausgefallene Effekte. Das Verwenden von vorhandenem Licht verleiht ihren Fotografien die Authentizität, die die streng konstruierten Bilder aufweichen und ihnen ihren natürlichen Ausdruck zurückgeben. Einzig die Kamera dient ihr als Werkzeug, dessen Sucher sie als Fenster begreift, durch welches sie die Betrachtenden einlädt, in neue Räume einzutauchen. Ladina Bischof ist seit 2013 freiberuflich tätig und seit 2019 Mitglied bei vfg, Vereinigung fotografischer GestalterInnen sowie bei der Agentur 13PHOTO.


Ladina, wie bist Du zur Fotografie gekommen? Was war Deine erste Begegnung?

Durch meinen Vater, der Architekt ist, wurde mein Leben früh durch das Bildhafte geprägt: Räumlichkeit, Lichtführung, Oberflächen und Strukturen, und im Zentrum der Mensch. In meiner Jugend fand ich dann meinen eigenen Weg dorthin – mit dem Blick durch die Kamera, in die Gesichter meiner Freund:innen.

Was fasziniert Dich an der Fotografie im Allgemeinen? Und was macht für Dich persönlich den Reiz deiner Ästhetik und Praxis im Besonderen aus? 

Durch den Sucher zu blicken, etwas zu fokussieren, beobachten und betrachten, den Moment, der einen maximal berührt, festzuhalten und zu teilen, empfinde ich als ein grosses Geschenk. Jede Reise, jede Begegnung ist einzigartig, und so treibt mich meine Neugierde an. Wegweisend ist für mich dabei weniger das Plakative, das Offensichtliche, sondern vielmehr das Kleine, das Unscheinbare.

Wie würdest Du Deine Ästhetik, Deinen fotografischen Stil beschreiben? Was macht ihn aus?

Reduziert, menschennah, schnörkellos, poetisch – und ich arbeite mit einem ziemlich konsequenten Rezept. Bei der Wahl des Objektivs und des Blickwinkels orientiere ich mich stark an unserer natürlichen Betrachtungsweise. Zudem fotografiere ich ausschliesslich mit vorhandenem Licht. Letzteres verleiht meinen Arbeiten wohl den etwas spontanen Charakter, der die ordentliche Komposition wiederum durchbricht. Diese Arbeitsweise lehrt mich auch, Dinge anzunehmen und nicht einer Perfektion nachzueifern. 

«Diese Arbeit konzentriert sich auf die Bühnen unserer Träume. Losgelöst von den individuellen Geschichten, die darauf spielen. Settings, die den Realen ganz nah kommen und doch surreal anmuten.»

Ladina Bischof

Gibt es visuelle Vorbilder oder Welten, an denen sich Dein Schaffen orientiert?

Vermutlich irgendwo zwischen der Ästhetik von Le Corbusier, den Gedanken von Richard David Precht, den Melodien von Phoebe Bridgers und der Schlussszene aus The Truman Show. Ich lasse mich aber auch oft von meiner Umgebung und Alltäglichem inspirieren.

Ein aktuelles oder für Dich exemplarisches Projekt?

In meiner Arbeit «Seesichten» ist ziemlich viel verankert, was mich berührt und was ich durch meine Fotografie zu übersetzen versuche. Die Serie habe ich für das Ostschweizer Kulturmagazin Saiten fotografiert und mich dafür einen Tag lang auf eine Fähre gesetzt. Sie pendelt auf dem Bodensee zwischen den Ländern hin und her und schenkt uns dabei immer wieder neue Räumlichkeiten mit anderen Aussichten.

Du setzt die 6. Edition der FEMALE VIEWS um. Was ist das Thema Deiner Arbeit, was betrachten wir?

Herzlichen Dank für die Einladung! Zum vorgegebenen Thema des Traums möchte ich eine Bildserie zeigen, die sich auf die Bühnen unserer Träume konzentriert. Losgelöst von den individuellen Geschichten, die darauf spielen. Settings, die der realen manchmal beängstigend nah kommen und zugleich surreal sein können. Physikalische Regeln verschwinden, gesellschaftliche Konventionen lösen sich auf. Was bleibt, ist die Beziehung zwischen Mensch und Raum. Befreit von jeder Logik gelangen wir in unseren Träumen zu Szenerien und Begegnungen. Es ist eine Reise durch Episoden. Ein Wechsel zwischen Beobachterin und Protagonistin.


«Befreit von jeder Logik gelangen wir in unseren Träumen zu Szenerien und Begegnungen. Es ist eine Reise durch Episoden. Ein Wechsel zwischen Beobachterin und Protagonistin.»

Ladina Bischof

Womit setzt sich Deine Arbeit auseinander, und was möchtest Du anhand der Fotografien und/oder Videos erzählen?

Ich setzte mich mit meinen eigenen Träumen intensiver auseinander und überlegte mir, wie es doch wäre, die Kamerafrau meiner eigenen Träume zu sein. Welche Perspektiven nähme ich ein und wie würde der Übergang aussehen, wenn man von der einen Geschichte in die nächste gelangt– was für mich, in meinen Träumen, oft unglaublich irritierend ist. Mich interessierte die Körperlichkeit sowie die eigene Wahrnehmung von Räumlichkeiten und Atmosphären innerhalb der eigenen Traumwelt: Die Einordnung durch die träumende Person, wenn sie eine Situation aufgrund von Erfahrungen und Erlerntem zu katalogisieren versucht, was ihr jedoch nicht ganz gelingt, weil sich diese nicht vollständig auflösen lässt. Diesen Kippmoment, den zwischen Illusion und der tatsächlichen Wirklichkeit, habe ich versucht, in der Realität einzufangen und in Bilder zu übersetzen.

Kannst Du uns deine fotografische Herangehensweise am Beispiel dieser Arbeit skizzieren: Wie bist du vorgegangen und wie hast du dich vorbereitet?

Vor der Umsetzung scheute ich mich erst enorm. Es erschien mir zeitweise beinahe utopisch, die Bilder in meinem Kopf in der realen Welt überhaupt zu finden. Doch als ich mich auf die Suche machte, brachten mich kleine Reisen an Orte, welche ich mit meinen Träumen zu verknüpfen glaubte, in der Hoffnung, dort diese Momente zu finden. Teilweise musste ich mich von bestimmten Vorstellungen lösen, fühlte mich verloren und dann auch wieder unerwartet beschenkt. Generell zeigt sich meine fotografische Arbeit eher gedämpft, dicht und ruhig. So waren die vielen Sonnenstunden in den Sommermonaten zwar erheiternd, doch nicht unbedingt die Stimmung, welche ich mir für die Bildserie wünschte. Das geduldige Warten auf einen Wetterwechsel war daher essentieller Bestandteil meines Schaffens.

Die Arbeit wurde mit der GFX 50S II umgesetzt. Inwiefern hat Dich diese Kamera bei dem Projekt unterstützt? Was funktionierte besonders gut? Gab es Herausforderungen, und wenn ja, welche und wie hast du diese gelöst?

Da ich schon einige Jahre mit dem FUJI-System arbeite, war für mich vieles schon vertraut und ich fühlte mich mit der GFX 50S II schnell wohl. Ich wusste, dass die GFX Kamera eine zuverlässige Begleiterin ist. Für meine Fotografien lege ich das Hauptaugenmerk nicht auf den grösstmöglichen Dynamikumfang oder die perfekte Schärfe. Vielmehr ist mir wichtig, wie sich die Bildstruktur in den hohen ISO-Bereichen verhält und wie sie mit Farben, Kontrasten und Helligkeiten umgeht. Zudem eignet sich das Bildverhältnis 4:3 optimal für die Bereiche der Architektur- und Portraitfotografie. Ein Verhältnis, dass das Tempo in der Bildwirkung etwas herausnimmt und den Bildinhalt auf einen neutraleren Boden setzt. Der grosse Sensor schenkt mir einen grosszügigen Bildwinkel ohne zum Weitwinkel greifen zu müssen – das Bild wirkt ruhig und die Proportionen des Bildinhalts werden nicht verfälscht. Neu für mich war der Bildstabilisator, der mich bei schlechten Lichtverhältnissen hervorragend unterstütze und so manches Bild möglich machte, ohne dass ich auf ein Stativ angewiesen war.

Frauen als Fotografinnen sind nach wie vor unterrepräsentiert in der Branche. Worin siehst Du den Grund dafür, und was müsste sich Deiner Meinung nach ändern, damit das Geschlecht in der Fotografie keine Rolle mehr spielt? 

Diese missliche Realität ist auf eine Vielzahl von Gründen zurückzuführen. Im Grunde aber wird uns einfach weniger zugetraut – entsprechend müssen wir uns mehr beweisen bzw. glauben, dies tun zu müssen. Jedoch, gesellschaftlich geprägt davon, möglichst unauffällig und angepasst zu sein, fällt es vielen Frauen schwer, selbstbewusst nach vorne zu gehen. Leider finden auch hier immer noch die Lauten am meisten Gehör. Dazu kommt, dass das technische Verständnis, das Anpacken – das fälschlicherweise noch immer über Muskelkraft definiert wird – oder das Ausführen einer leitenden Funktion leider noch immer primär dem männlichen Geschlecht zugeschrieben wird.

Was bedeutet für Dich ein «weiblicher Blick»? Existiert Deiner Meinung nach überhaupt ein geschlechtsspezifischer Blick? Wenn ja, ist dieser relevant?

Ich glaube nicht wirklich an eine geschlechtsspezifische Sichtweise, aber ich bezweifle nicht, dass mein Geschlecht einen Einfluss auf mein Gegenüber haben kann. Vor allem in der Porträtfotografie, denn die Person vor der Kamera wird ganz natürlich versuchen, mich nach ihrem erlernten Muster einzuordnen. Das wiederum wird die Beziehung zwischen uns beeinflussen. Unterschwellig, aber sichtbar in der Aufnahme.

Welchen Herausforderungen bist Du in deiner Karriere als Fotografin begegnet? Gibt es etwas, das Du Dir im Sinne eines Wandels in der Branche wünschen würdest?

Fotografin zu sein bedeutet auch, viele Entscheidungen selbst zu treffen. Diese Situation hat mich gelehrt, meiner Intuition zu vertrauen. Auch bedeutet es, die kleinen Tiefs im Berufsalltag auszuhalten, mich selbst zu motivieren und wieder aufzubauen. Dies fiel mir anfangs unglaublich schwer und davor werde ich auch in Zukunft nicht gefeit sein. Ich wünsche mir, dass der Kollektivgedanke in unserer Branche mehr Bedeutung bekommt, dass es mehr Austausch untereinander gibt und wir uns gegenseitig unterstützen. Auf diese Weise können wir auch umsichtiger sein und den Personen, die sich nicht sofort in die erste Reihe stellen, die gebührende Sichtbarkeit zukommen lassen.

Deine Vision für die Zukunft der Fotografie?

Ich bin optimistisch und voller Zuversicht, dass sich die Qualität und Sorgfalt eines guten Bildes gegen die gegenwärtige Bilderflut durchsetzen wird. Denn es sind genau diese Bilder, die uns berühren, die uns erinnern und uns träumen lassen.


«Fotografin zu sein bedeutet auch, viele Entscheidungen selbst zu treffen. Diese Situation hat mich gelehrt, meiner Intuition zu vertrauen.»

Ladina Bischof

komplette Serie

Credits:

Konzept und Fotografie: Ladina Bischof
Ein Projekt von: FUJIFILM Switzerland
Mehr zu Ladina Bischof
Mehr zum GFX System (link to GFX Produktseite)

Female Views

FEMALE VIEWS ist ein von FUJIFILM Switzerland im Jahr 2020 initiiertes Programm, das darauf abzielt, die Sichtbarkeit von Schweizer Fotografinnen und Fotokünstlerinnen zu fördern und ihnen die entscheidenden Werkzeuge zu geben, die sie für ihren Erfolg benötigen. Nach Mirjam Kluka (2020, Edition 1), Sabina Bösch (2020, Edition 2), Lauretta Suter (2021, Edition 3), Jacqueline Lipp (2022, Edition 4) und Johanna Hullár (2022, Edition) lanciert FUJIFILM Switzerland mit Ladina Bischof die 6. Edition.

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