Städtetrip: Turin – Verkanntes Juwel

Ich verbringe Ende November einige Tage in Turin. Mit dabei nicht nur meine geliebte Fujifilm X100V, sondern erstmals eine GFX 100S. Hauptgrund meiner Reise ist ein Besuch im Heritage Hub, einer faszinierenden automobilen Schatzkammer. Die (noch) nicht öffentlich zugängliche Sammlung des Autokonzerns Stellantis vereint rund 300 Fahrzeuge der Marken Fiat, Lancia, Abarth und Alfa Romeo. Für ein Magazin soll ich hier einen Prototyp fotografieren. Die Gewissheit, eine der besten Mittelformatkameras im Gepäck zu haben, ist für dieses Unterfangen sehr beruhigend.

Mitnichten eine graue Industriestadt!

Doch zurück zur Stadt. Wer wegen der engen Verflechtung mit der Automobilindustrie eine graue Industriestadt erwartet, liegt komplett falsch. Turin verfügt über prächtige Parks und liegt am Ufer des Flusses Po – im Herbst grüssen in der Ferne die weissen Gipfel der Alpen. Die Vielfältigkeit der Stadt zeigt sich auch ihm ehemaligen Fiat-Werk Lingotto. Dieses wurde 1923 fertiggestellt und gilt mit der ovalen Teststrecke auf dem Dach als eines der Wahrzeichen. Längst werden hier keine Autos mehr produziert. Heute beherbergt das Gelände ein Messe- und ein Einkaufszentrum sowie zwei Hotels. Seit letztem Jahr kurven auf dem Dach des Gebäudes nur noch ab und zu Elektroautos umher, umgeben von einem neu angelegten Dachgarten mit über 40000 heimischen Pflanzen. An sonnigen Herbsttagen gehört die Strecke aber ganz den Flaneuren. Ebenfalls auf dem Dach der Lingotto-Fabrik befindet sich das Kunstmuseum Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli. Ein Vermächtnis des mächtigen Fiat-Bosses und seiner Frau, welche hier einen Teil ihrer Sammlung dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben. Untergebracht sind die Meisterwerke in einem Erweiterungsbau des Architekten Renzo Piano.

Architekturvielfalt, die ihresgleichen sucht

Überhaupt hat Turin in puncto Architektur einiges zu bieten. Schliesslich hatten sich hier schon die Römer niedergelassen, später wurde die norditalienische Metropole zur ersten Hauptstadt Italiens. Hier finden sich Fragmente des römischen Turins wie die Porta Palatina, daneben Barock- und Jugendstilarchitektur, prächtige Paläste und im Kontrast dazu der italienische Rationalismus der, losgelöst vom geschichtlichen Kontext – die Rationalisten in Italien hatten sich während der Herrschaft Mussolinis auf einen Schulterschluss mit den Faschisten eingelassen – nicht minder beeindruckend ist. Schliesslich finden sich einige höchst interessante Gebäude des Modernismus aus den 50er- und 60er-Jahren.

GFX100S – ein mächtiges Instrument

Bei meinem ersten Abstecher in die Altstadt nehme ich die GFX100S mit. Im Vergleich zur X100V schleppt man natürlich etwas mehr Gewicht herum. Doch gerade um Turins Architektur einzufangen, eignet sich die GFX100S hervorragend. Ausschnitte können später fast beliebig vergrössert werden und manches Detail entdecke ich erst zu Hause am Bildschirm. Besonders eindrücklich ist der Bildstabilisator. Ich mache sämtliche Aufnahmen ohne Stativ – trotzdem sind gestochen scharfe Bilder möglich. Gleichzeitig merke ich, dass die Kamera nicht unbedingt für beiläufige Streetshots geeignet ist, wie ich sie mit der x100v gerne mache. Die Leute erschrecken, wenn sie in den Fokus dieser High-End-Kamera geraten. Andererseits fragt mich ein Influencer aus Paris, nachdem er die GFX100S entdeckt hat, ob ich nicht ein paar Aufnahmen von ihm machen könne.

Auch die Bilder des Prototypen Lancia Dialogos von 1998, die ich für das Magazin erstelle, lassen sich mit der der Kamera hervorragend umsetzen. Die GFX100S ist ein mächtiges Instrument. Anfänglich hatte ich Bedenken, ob ich mit dieser Kamera zurechtkommen würde. Wenn man allerdings andere Fujifilm Kameras kennt, gestaltet sich die Bedienung der GFX100S sehr intuitiv. Die Kamera ist mir schnell vertraut, obwohl ich vorher noch nie damit gearbeitet habe. Einzig mein MacBook kommt ins Schwitzen, als ich die riesigen Bilder bearbeite.

Am Abend, hungrig vom ereignisreichen Tag, setze ich mich in eine Trattoria. Nicht nur Auto- und Architektur-Aficionados finden in Turin ihr Paradies, auch Schlemmer. Weil Turin weniger Massentourismus anzieht als die Städte-Hotspots Mailand, Rom oder Venedig, finden sich hier kaum Touristenfallen. Turin bietet vielerorts authentische piemontesische Küche zu vernünftigen Preisen.

Nach drei Tagen habe ich die Stadt kennengelernt, aber erst einen Bruchteil von dem gesehen, was mich interessiert hätte. Nächstes Mal Mailand, Venedig oder Rom? Nein, wieder Turin! Genauso wie es mir diese Stadt angetan hat, bin ich von der GFX100S begeistert. Die schier unendlichen Möglichkeiten, die einem mit dieser Kamera offenstehen, sind faszinierend und anspornend zugleich!

Text & Foto: Patrik Hellmüller, umgesetzt mit der FUJIFILM GFX100S