02.04.20 zurück

Foto-Knigge Porträtfotografie

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Beat Mumenthaler

«Im Fokus» verrät der Schweizer Porträtfotograf Beat Mumenthaler, was ein gutes Schwarzweiss-Porträt ausmacht und worauf Nachwuchsfotografen setzen sollten.


8 Tipps für mehr Persönlichkeit auf deinen Porträtfotos.

Wir durften mit dem vielleicht renommiertesten Porträtfotografen der Schweiz sprechen. Beat Mumenthaler ist mehrfach national und international ausgezeichnet und gab 2017 der Schweizer Regierung mit dem offiziellen Bundesratsbild ein überzeugendes Gesicht.

In einem ausführlichen und tiefgründigem Gespräch haben wir viel über die Porträtfotografie von ihm gelernt, viel über den Menschen – und uns selbst. Denn überraschender Weise geht es bei der Porträtfotografie neben der Persönlichkeit im Sucher zu einem grossen Teil auch um den Menschen hinter der Kamera.

Die folgenden Ausführungen fokussieren sich ausschliesslich auf das spezifische und enorm spannende Thema der Porträtfotografie. Weiterführende Aspekte der Mode- oder allgemeinen Peoplefotografie finden hier keine Erwähnung. Und so haben wir hier einige Tipps für dich aufgelistet, die u.a. die persönliche, kreative Sichtweise von Beat Mumenthaler widerspiegeln – eine Sichtweise so faszinierend wie erfolgreich.

Tipp Nr. 1: Bitte lies nichts über Porträtfotografie

Wie jetzt? Und diesen Text? Naja, vielleicht kannst du noch eine letzte Ausnahme machen. Denn was wir dir eigentlich sagen möchten, ist folgendes: Eine herkömmliche Netz-Recherche zum Thema Porträtfotografie wird dir die immer gleichen Themen liefern. Oft liest man: Nutze immer eine offene Blende für eine geringe Schärfentiefe oder lass dein Modell den Kopf leicht zur Seite drehen und verträumt ins Leere schauen usw. – und so lernst du genau das, was andere auch längst machen – ein einziger, überbelichteter Einheitsbrei. Das Grundprinzip nämlich, welches auch Beat Mumenthaler bei seinen Schulungen und Vorträgen gerne predigt, lautet: Mach dein eigenes Ding! Das beste Porträtfoto, das du jemals machen wirst, wird deshalb so gut sein, weil es eigenständig sein wird. Erst wenn es genau deinen eigenen Vorstellungen entspricht, wird es auch vollkommen dich und deine persönliche Art zu arbeiten widerspiegeln. Ganz wichtig also:

Tipp Nr. 2: Lerne zunächst dich selbst kennen

Zugegeben, das klingt jetzt fast etwas philosophisch, ist aber aus unserer Sicht entscheidend, wenn du das ganz besondere Porträtfoto machen willst. Beat wird oft gefragt, wie man denn seinen eigenen Stil entwickeln kann und seine Antwort lautet: indem du dich selber kennenlernst. Was für ein Mensch bist du? Was hast du für Wertvorstellungen? Versuche herauszufinden, was dich ausmacht und was du in deiner Fotografie von dir und deiner Persönlichkeit zeigen willst. Ein Tipp am Rande: Youtube-Tutorials sind dabei ganz sicher keine Hilfe, denn sie werden dir deine eigene Persönlichkeit sicher nicht aufzeigen können.

Wenn du deine eigenen Vorstellungen kennst, kannst du gemeinsam mit deinem Modell in einem Vorgespräch dann die gewünschte Wirkung oder Botschaft des Porträts erarbeiten. Ausserdem lernt ihr euch so etwas kennen und könnt gegenseitiges Vertrauen aufbauen. Warum Vertrauen in der Porträtfotografie die Basis von allem ist, erfährst du gleich im nächsten Tipp…

Tipp Nr. 3: Sei ein guter Psychologe

Als Porträtfotograf solltest du dich auch mit Psychologie befassen. Denn ein gut gemachtes Porträtfoto entfaltet seine beste Wirkung, wenn dein Gegenüber sein wahres Ich zeigt. Du musst versuchen, offene, aufrichtige Emotionen im Blick deines Gegenübers zu wecken, um seinen echten Charakter in einem Foto einfangen zu können. Dafür musst du spüren, was die Person bewegt, wofür sie steht, wer sie sein möchte. Jede kleine Regung im Gesicht, gibt dir einen Hinweis, in welche Richtung die Geschichte geht. Und nur wenn du das erkennen kannst, kommst du ganz nah an die Person heran. Non-verbal, aber auch mit gezielten Aufforderungen, führst du dein Modell immer wieder mental in das gedankliche Setting aus dem Vorgespräch und versuchst dann den offensten und ehrlichsten Ausdruck einzufangen, denn…

Tipp Nr. 4: Ehrlich ist am schönsten.

Die meisten Tipps im Internet zielen darauf ab, den Porträtierten möglichst schön oder gar perfekt abzubilden, im Sinne von: finde dessen Schokoladenseite und kehre diese hervor! Einheitsbrei. Und mehr noch: Bei der Suche nach Makellosigkeit geht aus unserer Sicht das Entscheidende verloren:

Persönlichkeit. Denn die Schönheit eines Menschen hängt weder von der entsprechenden Gesichtsseite oder dem Neigewinkel des Kopfes ab, sondern vom eingefangenen Ausdruck. Schönheit ist nicht Perfektion, Schönheit ist Persönlichkeit. Ein ehrliches Abbild eines Menschen ist das, was unseren Blick fesselt. Es wirkt interessant, ist einzigartig und deshalb ist auch jeder Mensch schön. Jeder ist fotogen. Bringe also mit viel Einfühlungsvermögen dein Modell dazu, nicht zu überlegen wie es vor allem «gut» aussieht, sondern mehr was es zu erzählen hat, was sein Wesen ausmacht. So entstandene Bilder haben automatisch eine Ausstrahlung, der man sich kaum entziehen kann und dies wird am Ende, mit dem Foto in der Hand, auch dein Modell und jeder weitere Betrachter erkennen, denn…

Tipp Nr. 5: Die Aussage macht das Bild

Ein gut gemachtes Porträtfoto transportiert immer eine Botschaft. Je nachdem, um was für eine Art Porträtfoto es sich handelt, kann diese natürlich total verschieden aussehen. Für ein Foto in der Bewerbungsmappe eines Finanzverantwortlichen, der geballte Kompetenz und Verantwortung ausstrahlen will, brauchst du andere Worte oder mentale Bilder als für die warmherzige und kreative Kindergärtnerin. Entscheidend ist einmal mehr deine eigene authentische und einfühlsame Persönlichkeit, um diesen entsprechenden Ausdruck deines Gegenübers auf den Millimeter genau einzufangen und so das Porträtfoto, ganz ohne Worte, in den höchsten Tönen von sich sprechen zu lassen. Sei also während des Shootings immer aufmerksam was diesen speziellen, ehrlichen Gesichtsausdruck betrifft und dann, blitzschnell…

Tipp Nr. 6: Abdrücken, wenn die Magie kommt.

Wie wichtig dein Einfühlungsvermögen ist, haben wir ja schon erwähnt. Übernimm also sensibel die Führung deines Modells, versuche, es in die richtige Stimmung zu versetzen und sei dabei wachsam für jede noch so kleine Gemütsregung. Typischerweise entsteht während des Shootings ein interessantes Wechselspiel aus grundehrlicher Emotion und von dir ganz gezielt eingesetzten Pausen der Entspannung. Schau also ganz genau hin, spüre wann sich die gewünschte Emotion, die Magie einstellt und drücke ab.

Jetzt das Bild kurz am Display begutachten. Bist du zufrieden? Geht es in die gewünschte Richtung? Dann gleich weitermachen, mit deinem psychologischen Feingefühl die Anspannung aufrechterhalten. Lass es dir nicht anmerken, wenn du noch nicht ganz zufrieden bist, um nicht unerwünschten Stress bei deinem Gegenüber aufkommen zu lassen. Mit etwas Übung wirst du genau sehen und spüren, wann du welche Emotion einbringen solltest oder es vielleicht eine kurze aber oft lohnenswerte Unterbrechung braucht. Was dir ganz sicher dabei helfen wird, ist folgendes:

Tipp Nr. 7: Interessiere dich nur für das Gesicht.

Nimm alles weg, was stört und vom Wesentlichen – dem Gesichtsausdruck deines Gegenübers – ablenkt. Hol dir das Gesicht des Porträtierten mit dem Zoom ganz nah ran und schon spielt dessen Kleidung (die zwar Leute macht, aber eben keine Persönlichkeiten) überhaupt keine Rolle mehr. Auch Schmuck kann das Auge des Betrachters ablenken, also am besten entfernen, wenn er nicht einen Teil der Persönlichkeit ausmacht. Dein Augenmerk sollte komplett auf dem Gesichts-Dreieck zwischen den beiden Augenbrauen und dem Kinn liegen – hier liegt der «Hot-Spot der Emotionen». Um nun das Gesicht und dessen Ausdruck wirklich perfekt in Szene zu setzen, verdunkelst du vielleicht zusätzlich den Raum und arbeitest mit nur einer Lichtquelle – so macht es zumindest Beat in seinen berühmten Mumenthaler-Porträts. Wie bitte? Nur eine Lichtquelle? Genau, denn…

Tipp Nr. 8: Equipment allein macht keine Bilder

Wie soeben beschrieben: Beat mag das Ehrliche. «Fadegrad» wie man auf Berndeutsch sagt. Da passt es auch, dass er sich meist auf eine einzige Lichtquelle verlässt. Und auch das Thema «Technik» war in unserem Gespräch eigentlich nur ein Nebendarsteller. Aber natürlich betont er, dass er ein perfektes Gerät braucht, das ihn ideal unterstützt. Schnelligkeit und Präzision sind hierbei für ihn elementar und in der Fujifilm GFX50 oder GFX100 hat er beides gefunden. Seine Hasselblad hat er längst in die Ecke gestellt. Bei den Objektiven nutzt er immer das 110 mm Objektiv, was im Vollformat 85 mm entspricht. Das ist schon alles? Ja, ist es.

Auch bei der Bildbearbeitung achtet er darauf, dass er sie sehr gezielt einsetzt, um die Bild-Botschaft oder -Wirkung zu unterstützen oder Hautunreinheiten zu entfernen. Die Nachbearbeitung, um künstlich irgendwelche Effekte zu erzielen, entspricht überhaupt nicht seinen Vorstellungen.

Schlusswort

Jetzt hast du ja unseren Text doch bis zum Ende gelesen! Na, dann wollen wir mal hoffen, dass du mit unserem Blick auf das Thema Porträtfotografie – gewissermassen durch Beat Mumenthalers Linse – ein paar neue Aspekte erfahren hast. Sei offen und ehrlich mit dir selbst, deinen Werten und deiner Sichtweise auf das Leben, und dein Gegenüber wird seinerseits mit einer ebenso ehrlichen Emotion reagieren und dem Foto einen wahrhaftigen und authentischen Ausdruck verleihen. Und nun wünschen wir dir viel Spass beim Erkunden des Menschen, der du bist oder sein willst und natürlich beim Erstellen deines nächsten und hoffentlich besten Porträtfotos bisher.

«MICH INTERESSIERT DAS WESEN EINES MENSCHEN, SEIN WAHRES GESICHT. DIESES WILL ICH FESTHALTEN. IN ALL SEINEN SCHATTIERUNGEN, MIT ALL SEINEM LICHT.»

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