14.11.25 zurück

Zwischen Rauch und Rosen: Mit der GFX100S II in Kannauj

Fotografin Alessandra Meniconzi dokumentierte mit der GFX100S II ein uraltes Handwerk in Kannauj, der indischen Hauptstadt des Parfums. Inmitten sengender Hitze, traditioneller Kupferkessel und tonnenweiser Rosenblätter begleitete sie die aufwendige Herstellung von Attar – einem kostbaren Rosenöl. Ihr Ziel: den Menschen und ihrer Arbeit mit Respekt zu begegnen, und ihre Geschichte in ruhigen, eindrücklichen Bildern festzuhalten.
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Alessandra Meniconzi

Mein Name ist Alessandra Meniconzi und ich erkunde seit vielen Jahren entlegene Regionen, um Kulturen und Traditionen festzuhalten, die vom Verschwinden bedroht sind. Meine Arbeit basiert auf Zuhören und Respekt und stellt die Identität oft vergessener Völker ins Zentrum. Seit 2022 arbeite ich mit dem FUJIFILM-Mittelformatsystem, um Bilder in aussergewöhnlicher Qualität zu realisieren. Zuletzt begleitete mich die GFX100S II bei einem eindrucksvollen Projekt: der Dokumentation der Rosenölherstellung in Kannauj.


Zurück nach Kannauj: Wo Rosen zu Duft werden

Im Jahr 2015 hatte ich bei einem kurzen Aufenthalt in dieser nordindischen Stadt eine Destillerie entdeckt, die wie aus der Zeit gefallen wirkte. Ihre Atmosphäre liess mich nicht mehr los und brachte mich zurück, um ihre Geschichte zu erzählen. Kannauj, auch als «Parfumhauptstadt» bekannt, bewahrt eine uralte Dampfdestillationstechnik, bei der zarte Rosenblätter in duftendes Attar verwandelt werden. Die Ernte bei Sonnenaufgang leitet einen langsamen, präzisen Prozess ein, der Tonnen an Blüten in wenige Milliliter reines Rosenöl verwandelt, ganz ohne Chemie und Maschinen. Meine Bilder erzählen von der Leidenschaft und Widerstandskraft jener, die dieses Handwerk am Leben erhalten.

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Zurückhaltend beobachten, präzise erzählen

Seit Jahren arbeite ich mit «Terra Mater», einer Zeitschrift, die ich für ihre visuelle Integrität und journalistische Qualität sehr schätze. Ihre Reportagen setzen auf doppelseitige Bildstrecken mit einer Balance aus Weitwinkel, Porträt und Detail. «Terra Mater» verlangt eine enge Verzahnung von Text und Bild, ohne dass eines das andere dominiert. Der Text stammt in diesem Fall von Fabian von Poser. Für mich bedeutete das sorgfältige Planung, permanente Abstimmung und höchste technische Qualität. Der grösste Druck war jedoch emotional: die Sorge, Daten zu verlieren oder den richtigen Moment zu verpassen. Mein Stil bleibt dabei persönlich, aber zurückhaltend – jederzeit authentisch, im Takt der porträtierten Menschen. Die Kamera war auf dieser Reise mein Werkzeug, nicht mehr und nicht weniger.

Von der Recherche zum Dialog ohne Worte

Für mich beginnt jedes Projekt mit einer menschlichen Begegnung und Fotografie wird dabei zur Brücke, die ferne Welten verbindet. Es entsteht daraus eine Erzählung, die über das Bild hinausgeht. Die Vorbereitung dieses Projekts erforderte Recherchen über Blütezeit und traditionelle Betriebe. Vor Ort aber hiess es warten. Viele Termine wurden verschoben oder fielen ganz aus. Der Zugang zu den Menschen war herausfordernd, denn Sprach- und Kulturbarrieren verlangten Geduld. Ich beobachtete, hörte zu und kommunizierte mit Gesten. Erst nach Tagen entstand ein stiller Dialog und schliesslich Vertrauen. So konnte ich ihre Geschichte mit Respekt erzählen.

Herausforderungen im Feld: Licht, Hitze und Rauch

Vor Ort zeigte sich die Realität anders als erwartet. Auf den Feldern bei Sonnenaufgang hoffte ich auf weiches Licht und diffusen Nebel, doch ich traf auf eine schon hochstehende Sonne und starke Kontraste. In der Destillerie war die Atmosphäre dagegen genau wie erträumt, mit Räumen erfüllt von Rauch, gedämpftem Licht und tiefen Schatten. Nicht erwartet hatte ich die extreme Hitze unter den Destillierapparaten und die Intensität des Rauchs, der Augen und Hals reizte und häufige Pausen erforderte.

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Trotz der Schwierigkeiten bewahrte ich einen nüchternen und respektvollen Stil, ohne zu übertreiben. Mein Ziel war es nicht nur Details zu zeigen, sondern sie spürbar zu machen: die Intensität des Duftes, die drückende Hitze, die Stille des Morgens und die unsichtbare Mühe der Arbeitenden.

Erstmals mit Mittelformat im Reportageeinsatz

Dies war mein erster Reportageeinsatz mit einer Mittelformatkamera. Ich habe die GFX100S II gewählt, weil sie meinen fotografischen Ansatz voll und ganz widerspiegelt. Obwohl oft angenommen wird, Mittelformat sei für Reportagen ungeeignet, stellte es für meine Arbeitsweise kein Hindernis dar. Ich arbeite fast immer mit einem Stativ, setze stets auf höchste Bildqualität und halte ISO-Werte unter 400. Die GFX100S II, kompakter und leichter als die GFX100 II, erwies sich von Anfang an als handlich und ergonomisch – auch für kleinere Hände.

Alessandra Meniconzi at work at Pranav’s distillery in Kannauj, India. For this photographic project, she used the FUJIFILM GFX100S II along with the GF20-35mmF4 R WR and FUJINON GF100-200mmF5.6 R LM OIS WR lenses.

In komplexen Situationen wie dem grellen Licht auf den Feldern und den tiefen Schatten in der Destillerie profitierte ich von dem exzellenten Dynamikumfang und der präzisen, natürlichen Farbwiedergabe. Der Mittelformatsensor liefert tiefe Schwarztöne, kontrollierte Lichter und aussergewöhnliche Details, die jeden Shot lebendig und authentisch machen. Die Kamera verfügt über einen fortschrittlichen Autofokus mit Gesichts- und Augenerkennung, unterstützt von einem KI-Algorithmus, der auch bei sehr offenen Blenden zuverlässig scharfstellt. So konnte ich mich sehr gut auf die Komposition der Bilder konzentrieren.

Fotografieren unter anspruchsvollen Bedingungen

Ich wusste, dass diese Reise grosse Herausforderungen mit sich bringen würde. Die gnadenlose Hitze, das starke Licht und die engen Produktionsrhythmen liessen keinen Raum für Fehler oder triviale Bilder. Die intensivsten Momente erlebte ich in den Destillerien, wo ich jeden Schritt des Prozesses verfolgte. Gespannt wartete ich vor allem auf den Augenblick, in dem die Blütenblätter langsam in die Becken gegeben werden. Es ist eine einfache, doch poetische Geste, die ich in all ihrer Anmut festhalten wollte. Vom Verschluss des Deg – dem traditionellen Kupferdestillierapparat – bis zur Essenzgewinnung fand alles in einem rauchdurchzogenen Raum statt, in dem das Atmen schwerfiel. Als ich nach meiner Rückkehr mein Equipment auspackte, hing noch ein feiner Rauchgeruch daran, welcher mich direkt zurück nach Kannauj brachte.

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Pranav Distillery. The deg is the central vessel in the traditional attar distillation process in Kannauj, India’s historic “perfume capital.” This large copper cauldron is filled with fresh flower petals—typically roses or jasmine—and water. To prevent any loss of aromatic vapor, the deg is tightly sealed using a mixture of natural clay and wet cloth strips, which is carefully applied around the rim of the lid. This method, handed down through generations, serves to lock in the steam and maintain stable pressure throughout the distillation. As the bhatti (a traditional earthen furnace) heats the deg, the clay seal hardens quickly, forming a strong, airtight bond. The aromatic vapors travel through a connecting pipe (chonga) into the bhapka—a brass or copper receiver submerged in cold water—where the vapor condenses into liquid attar. In the case shown in the photo, the cauldron contains mitti—a special kind of earthy clay sourced from deep layers of soil. The clay is first dried and then baked into small disc-like pieces, similar to tiles. These are used to distill a unique attar known as “mitti attar”, which captures the scent of earth after the first rain—a deeply nostalgic and cherished aroma in Indian culture. Once the distillation is finished, the hardened clay seal is broken with a metal hammer known as a hathoda. This final step allows access to the used petals and reveals the strength and quality of the aromatic essence collected.

Ein Problem, das nicht an der Ausrüstung, sondern an der Umgebung lag, war die Überhitzung der Kamera. In den Destillerien erzeugen bis zu zehn feuergespiesene Destillierapparate enorme Hitze, die die Kamera stark beanspruchte. Eine technische Herausforderung dagegen war die geringe Tiefenschärfe des Mittelformats. Sie ist faszinierend, aber vor allem im Reportagebereich komplex. Ich lernte, dies durch Abblenden, kürzere Brennweiten oder eine grössere Entfernung zum Motiv auszugleichen.

Alessandra Meniconzi at work at Pranav’s distillery in Kannauj, India. For this photographic project, she used the FUJIFILM GFX100S II along with the GF20-35mmF4 R WR and FUJINON GF100-200mmF5.6 R LM OIS WR lenses.

Die GFX100S II liefert auch bei f/11 und f/16 hervorragende Qualität, und die Präzision des Autofokus war dabei unerlässlich. Besonders oft fotografiert habe ich mit den FUJIFILM-Objektiven  GF 20–35mm f/4 R WR, ideal für weitläufige Innenansichten, und  GF 45–100mm f/4 R LM OIS WR, perfekt für Porträts und intime Details. Ich bereue es, das GF 30mm f/5.6 T/S nicht mitgenommen zu haben, da es wegen der Korrektur konvergierender Linien für enge Räume bestens geeignet ist. Doch die Gepäckbeschränkung von acht Kilogramm zwang mich zu schweren Entscheidungen.

Was bleibt, ist die Geschichte hinter den Bildern

In den Fotografien verbirgt sich das harte, oft unsichtbare Handwerk der Destilleriearbeiter und ihr täglicher Einsatz, der für den Erhalt dieser Tradition unerlässlich ist. In Kannauj traf ich Menschen, die unter schwierigen Bedingungen leben und dieses grosse Erbe mit Entschlossenheit und stiller Resilienz weiterführen. Das alles zu erzählen, bedeutet eine grosse Verantwortung: mit Respekt zu beobachten und denen eine Stimme zu geben, die unsichtbar bleiben könnten. Fotografie wird so zu lebendiger Erinnerung und Zeugnis. Das Bild entsteht vor Ort, mit dem, was uns zur Verfügung steht, aber vor allem mit dem, was wir sind. Auf diesem Weg erwies sich die GFX100S II als weit mehr als nur eine Kamera: Sie war eine verlässliche Begleiterin, die Emotionen in authentische und eindrucksvolle Bilder verwandelte.

Fotos & Text: Alessandra Meniconzi im Auftrag von Terra Mater

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