Schon seit längerem spielte ich mit dem Gedanken, die GFX 100S zu testen. Umso mehr freute ich mich, als FUJIFILM Schweiz mir anbot, sie einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und so einen Einblick in die Möglichkeiten zu erhalten, welche dieses System bietet. Ebenso überlegte ich mir seit geraumer Zeit, im Rahmen meiner Arbeit einen Systemwechsel vom Vollformat zum Mittelformat zu wagen, und wurde mir ziemlich schnell bewusst, dass dies nur eine Frage der Zeit wäre.
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Ursprünglich stammt die Motivation für einen potentiellen Systemwechsel, durch die Tendenz, eine leicht aversive Haltung gegenüber der digitalen Fotografie einzunehmen. Der Grund dafür liegt an der Liebe zur analogen Fotografie. Diese hat in den vergangenen 3 Jahren so stark zugenommen, dass ich begonnen habe, bei praktisch äquivalenten Bildern, welche jeweils analog sowie digital geschossen wurden, immer mehr eine Präferenz für die analogen Resultate zu entwickeln. Nebst einigen weiteren, mir zum Teil noch nicht ganz klar gewordenen Gründen, liegt dies sehr vermutlich auch an der schwer zu beschreibenden Natürlichkeit und Echtheit der analogen Fotografie, welche zu einem grossen Teil auch auf der Stufenlosigkeit innerhalb der Farbtiefe und Dynamik basiert.
Da ich jedoch als professioneller Fotograf grundsätzlich eine kommerzielle Kundschaft betreue, kann ich der digitalen Welt nicht vollkommen den Rücken kehren. Somit besteht für mich die Notwendigkeit, eine adäquate Lösung zu finden. Dementsprechend war ich sehr neugierig darauf herauszufinden, ob die Fujifilm GFX 100S als erste von mir benutzte Mittelformat-Kamera dazu im Stande wäre, dieser leichten Aversion entgegenzuwirken. Ich fragte mich, ob die substantiell höhere Farbtiefe sowie der grössere Dynamikumfang des Systems dazu führen würden, die von mir subjektiv wahrgenommenen Differenzen zwischen digitaler und analoger Fotografie weniger zu spüren.
Glücklicherweise befand ich mich während der Kontaktaufnahme durch Fujifilm Schweiz gerade im Beginn der Planung eines neuen, persönlichen und künstlerischen Projekts, welches sehr farbenfroh und von Diversität geprägt sein sollte. Das Projekt mit dem Titel «Ser Humano» ist ein Fashion-Editorial mit einem sehr spezifischen Konzept: Es thematisiert die sich neu entwickelnde Verbindung zweier Menschen, welche in sechs verschiedene «Kapitel» unterteilt und jeweils durch ein Bild visualisiert wurde. Hierbei repräsentiert jedes Kapitel eine Stufe oder Phase innerhalb der fortschreitenden Annäherung dieser Menschen.
Um eine optimale Grundlage für das Shooting zu generieren, wurden die Interaktionen der beiden weiblichen Models, der Stil der Fotografie sowie die unterschiedlichen Farbpaletten individuell für jedes Kapitel im Voraus bestimmt. So konnte ich beispielsweise sechs verschiedene Hintergründe malen und auf die Farben der durch die Stylistin organisierten Outfits abstimmen.
Ser humano
Credits
Models: Milena Maura Duany Coello & Donna Zed Agency: Square Model Agency Styling: Luciné Ayanian Make-Up: Greta Taroziene Hair: Larissa Ott Assistance: Angélica De Oliveira Cousiño Photography & Retouch: Carlos Cordero-Rosales
Eines vorweg: Ich war mit dem Endresultat sehr zufrieden und konnte die GFX 100S erfolgreich nutzen, um die von mir erhoffte Farbtiefe über die Fotostrecke zu erreichen. Auch bestand nach der ersten Beurteilung der RAW-Files kein Zweifel daran, dass mir der Dynamikumfang und die Farbtiefe den Bearbeitungsspielraum bieten würde, den ich mir auch für extreme Veränderungen wünsche. Doch leider konnte ich bei diesem verträumten, von Bewegungsunschärfe, Verzerrung und nachträglich hinzugefügter Körnung geprägten Fotografie-Stil die Beurteilung zweier wichtiger Eigenschaften des GFX-Systems nicht genügend beurteilen: Den Detailreichtum aufgrund der hohen Pixelanzahl des Sensors und der natürliche Look des Bildes mit seinem charakteristischem Bokeh, welcher nur durch Mittelformatsysteme zu erreichen ist. Demzufolge entschieden wir uns, ein weiteres Projekt mit der GFX umzusetzen, um so alle Eigenschaften der Kamera vollumfänglich unter die Lupe nehmen zu können.
Innerhalb kürzester Zeit folgte die Planung des nächsten Fashion-Editorials, welches einen starken Kontrast zum vorherigen, eher surrealistischen Look schaffen und viel mehr an «klassische» Editorials erinnern sollte. Ausserdem wollte ich die Gelegenheit nutzen und die Fähigkeiten der Kamera nicht nur im Studio, sondern in einer Outdoor-Location unter natürlichen Lichtverhältnissen unter Beweis zu stellen. Mit einem Team von sechs Personen fuhren wir an einem kalten und regnerischen Tag ins Tessin, um im Maggia Tal die notwendigen Wetterverhältnisse vorzufinden und bei warmen Temperaturen und unfassbar schönen Locations Bilder zu schiessen.
Bei der Beurteilung der Bilder im Studio erkannte ich sofort den Unterschied zu vorherigen Erfahrungen mit meiner Vollformatkamera. Zunächst erschien eine Beschreibung schwierig. Ich konnte aber definitiv erkennen, dass «mehr» Information vorhanden war und die Qualität der Tiefenunschärfe positiv auffiel.
Bei der Bearbeitung der Bilder erhielt ich zunehmend den Eindruck, bei meinen gewählten Veränderungen der Rohdaten zu weit gegangen zu sein und alles lieber etwas reduzierter lassen zu wollen. Ich konnte daraus schliessen, dass mir das Bild in seiner rohesten Form grundsätzlich besser gefiel, als es üblicherweise bei der Bearbeitung digitaler Bilder der Fall ist.
GFX100sAnalog
Noch beeindruckter war ich aber, als ich ein mit der GFX geschossenes Bild mit einem praktisch identischen, analogen Bild verglich. Beinahe zum ersten Mal hatte ich nicht den Eindruck, dass das analoge Foto besser war als das digitale. Die Feststellung, dass sich für mich persönlich mit dem Mittelformatsystem der GFX der Unterschied zwischen analoger und digitaler Fotografie reduzieren lässt, war eine sehr erfreuliche Überraschung.
Zusammenfassend lässt sich aus meiner Perspektive sagen, dass es natürlich keine «one fits all»-Antwort auf die Frage gibt, welche nun die richtige Fotokamera ist. Die richtige Kamera ist diejenige, welche die individuellen Erwartungen erfüllt und für das jeweilige Projekt passt. Die GFX ist zwar etwas langsamer und kreiert grosse Bilddateien, dafür lässt sie mich aber bewusster fotografieren, was wiederum an die analoge Fotografie erinnert. Somit ist sie bestimmt nicht für jedes Projekt geeignet, bietet aber viele Vorteile gegenüber meiner üblichen Kamerawahl. Ansonsten bin ich aber vom Handling der GFX, ihrer sehr grossen Bildschärfe und Auflösung, dem hohen Dynamikumfang und der Farbtiefe voll und ganz überzeugt. Diese Kamera ist zweifellos vielseitig einsetzbar und wird den allermeisten Bedürfnissen eines Fotografen gerecht. So lassen sich absolut spektakuläre Bilder schiessen.
Fotos und Text: Carlos Cordero-Rosales
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